Rezension

Perfekt gestaltete Liebesgeschichte

Never Doubt - Emma Scott

Never Doubt
von Emma Scott

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich liebe das Cover. Es fällt schon alleine durch seine auffällige, leuchtend blaue Farbe aus der Masse heraus, aber die wunderbare Gestaltung eines Libellenflügels setzt noch einmal einen besonderen Akzent, welcher mir sehr gut gefällt, auch wenn er nur bedingt zum Inhalt passt.

Auch die Story mag ich gerne: Für Willow ist der Umzug von New York in die Kleinstadt Harmony, Indiana eine Erleichterung. Sie kann endlich die Ereignisse aus der Nacht von vor einem Jahr hinter sich lassen, über die sie mit niemandem sprechen kann. Für Isaac ist Harmony die Hölle auf Erden. Er lebt mit seinem gewalttätigen, alkoholabhängigen Vater in einem heruntergekommenen Trailer am Rande der Stadt und ist für die Menschen der Stadt nur der aggressive Bad Boy. Es sei denn er steht auf der Bühne des örtlichen Theaters und kann in die Rollen des Theaters eintauchen, dann ist er jeder außer er selbst. Als Willow ihn das erste Mal auf der Bühne sieht, ist sie fasziniert und spricht nach einigem Zögern für die Rolle der Ophelia in Hamlet vor. Dabei kommt sie Isaac, der Hamlet spielt, näher als sie gedacht hätte…

Ich war vor allem von den All-in-Büchern unglaublich geflasht und habe die Bücher ab der ersten Seite geliebt. Deswegen habe ich mich auch schon sehr auf diesen Einzelband von Emma Scott gefreut und wurde definitiv nicht enttäuscht. Der Schreibstil fesselt einen ab der ersten Seite und zieht einen mit einem unglaublichen Sog in das Buch hinein. Man leidet direkt mit Willow mit, deren Leben in einer einzigen Nacht zerstört wurde und wünscht sich, dass sie aus ihrem Gefängnis ausbrechen kann. Der poetische, leichte Schreibstil schafft es so, auf leise Art und Weise ihren Schmerz zu vermitteln, während man gleichzeitig nur so durch die Seiten fliegt und jede einzelne Zeile genießt.

Auch die Gestaltung des Buches an sich finde ich außerordentlich gut gelungen. So spielt das Drama Hamlet nicht nur eine Rolle als Schauspiel, in dem die Protagonisten spielen, sondern ist auch eine Art der Verständigung zwischen den Willow und Isaac, ohne dass es wirkt, als würde das Stück gezwungenermaßen in die Handlung eingefügt. Ich mochte vor allem die Theaterszenen wirklich gerne, weil es einem Shakespeare näherbringt, ohne, dass man das Stück vollständig gelesen haben müsste, obwohl es mich jetzt durchaus reizt, es endlich mal zu lesen.

Ich bin auch ein großer Fan der Protagonisten Willow und Isaac. Sie wirkt vor allem zu Beginn des Buches zerbrochen und ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffen würde, sie wirklich zu mögen oder ob ich sie einen Großteil bemitleiden würde. Zum Glück haben sich meine Befürchtungen nicht bestätigt, sondern Willow ist deutlich stärker als viele andere es in ihrer Situation sein könnten. Vor allem der Umzug nach Harmony und die Hartnäckigkeit von Angie MacKenzie haben dazu geführt, dass sie langsam wieder anfängt zu leben und ich habe mich über jeden Schritt zurück in die Normalität gefreut. Dabei ist der Bruch zu ihrem zerbrochenen Ich aber nie so hart, dass man sich über ihre 180 Grad-Wendung gewundert hätte, sondern ich ihre Entwicklung immer so sehr schlüssig und glaubwürdig fand. Dazu trägt auch Isaac einen wichtigen Teil bei. Dieser wird immer als der ultimative Bad Boy in der Schule dargestellt und ist für die Bewohner vor Harmony ein beliebtes Opfer von Klatsch und Tratsch, obwohl sie gleichzeitig auch gerne auf der Bühne bewundern. Diese Scheinheiligkeit hat mich ziemlich genervt und wurde mir auch viel zu wenig thematisiert. Stattdessen wurde Harmony immer als Idylle dargestellt, was ich aus Willows Blickwinkel ansatzweise verstehen kann, aber ich fand, dass sie den Umgang der anderen Bewohner mit Isaac und seinem Vater zu wenig kritisiert und hinterfragt. Ich konnte seine Aggressionen und seine Ablehnung der Menschen in der Schule und seine Fokussierung auf die Schauspielerei absolut nachvollziehen. Zudem ist er einer der wenigen ehrlichen, aufrichtigen männlichen Figuren in dem Buch, der sich für seine Ideale einsetzt, aber auch einer der wenigen, der die Frauen in dem Buch gut und respektvoll behandelt. Schon das hat mich für ihn eingenommen und dass er zudem auch noch alles für Willow tut, hat es nur besser gemacht.

Mein einziger Kritikpunkt an dem Buch ist vielleicht das Ende. Während zuvor verschiedene, sehr wichtige Themen, wie sexueller Missbrauch, Slutshaming, Ausgrenzung, häusliche Gewalt und Armut eine Rolle spielen, ist mir das Ende fast schon zu übertrieben kitschig. Das soll nicht falsch verstanden werden, ich liebe Happy Ends und brauche sie auch, aber hier war es mir viel zu dramatisch und irgendwie zu übertrieben und nicht so richtig passend zu der Ernsthaftigkeit des restlichen Buches.

Alles in allem habe ich das Buch von Anfang bis Ende sehr genossen und es durch den unglaublichen Schreibstil auch innerhalb kürzester Zeit durchgelesen. Das lag auch daran, dass die Protagonisten alle wunderbar gestaltet und die Verknüpfung zwischen Theater und Roman perfekt war. Auch wenn mir das Ende ein wenig zu übertrieben war, finde ich die behandelte Thematik unglaublich wichtig und die Art wie sie angesprochen wird, sehr passend.