Rezension

Perfekt inszeniertes Verwirrspiel zwischen Realität und Fiktion

Der Brief
von Carolin Hagebölling

Bewertet mit 5 Sternen

INHALT
Die Hamburger Journalistin Marie Kluge, Anfang 30, führt ein überschaubares Leben an der Seite ihrer Architektenfreundin Johanna. 

Doch ein mysteriöser Brief, der an sie adressiert ist, aber inhaltlich so gar nicht auf sie passt, gibt Rätsel auf. Darin ist von einer Hirn-OP und einem Pariser Verlobten Victor die Rede - beides Dinge, die Marie verunsichern, weil sie von ihrer ehemaligen Schulfreundin Christine verfasst worden sind oder etwa doch nicht?

Um das private Chaos zu beseitigen, entschließt sich Marie kurzerhand, nach Paris zu reisen. Dort hofft sie alle im Brief genannten Unstimmigkeiten klären zu können. Aber ist dies überhaupt möglich?

MEINUNG
Carolin Hageböllings Debüt "Der Brief" ist ein perfekt inszeniertes Verwirrspiel, bei dem Wirklichkeit und Fiktion/Einbildung bis zur Unkenntlichkeit miteinander verschmelzen.

Ich habe schon lang nicht mehr solch ein aufwühlendes und zugleich faszinierendes Buch gelesen, bei dem nicht nur der Hauptprotagonistin, sondern auch dem Leser eine Menge abverlangt wird. Besonders die Art und Weise, wie Hagebölling den Leser schrittweise in die Grauzone zwischen realer Welt und ideeller Parallelwelt entführt, konnte mich begeistern. So taucht man ins menschlich Nebulöse ein.

Die szenischen Wechsel bzw. Sprünge zwischen Maries unterschiedlichen Identitäten machen die Lektüre so reizvoll. Auch das offene Ende will perfekt zum Sujet passen, weil dadurch die Fantasie des Lesers hochgehalten wird und eine klare Trennung zwischen der Hamburger und der Pariser Marie nicht möglich zu sein scheint... 

FAZIT
Ein packender Roman, der formidabel mit der ach so "sicheren Wirklichkeit" spielt und damit zum Nachdenken anregt.