Rezension

Perfekt zum Schmökern!

Hinter den Spiegeln - Das Wiener Vermächtnis - Ulrike Schweikert

Hinter den Spiegeln
von Ulrike Schweikert

Worum geht’s?

Als die junge Komtess Luise von Waldenberg 1982 aufwacht, hat sie sämtliche Erinnerungen an ihr Leben vorher verloren. Während sie sich noch von ihrem schweren Sturz vom Pferd erholt, verlangt das höfische Leben wieder nach ihrer Aufmerksamkeit. Zwischen Kaffees, Soireen und Bällen muss sie so tun, als würde sie jeden genau kennen, auch wenn ihr die Menschen um sie herum gar nichts mehr sagen. Sie stößt auf immer mehr Geheimnisse, die mit ihrem Sturz und ihrer kalten Familie zu tun haben, so dass sie froh ist, wenn sie in die Werkstatt des Zuckerbäckers Stephan Brucker entfliehen kann. Dort erlebt sie, was echte Nähe ist und wie sich ein richtiges Zuhause anfühlen kann und muss bald darauf acht geben, dass sich keine Mesaillance ergibt. Besonders als dann auch noch ihr Verlobter Fürst Rudolph in Erscheinung tritt...

 

Schreibstil

Ich habe ein bisschen gebraucht, um mit Ulrike Schweikerts Schreibstil warm zu werden. Sehr schön - so fand ich zumindest - ist es, dass sie nicht so hochgestochen und unverständlich schreibt, wie es für manche historische Bücher üblich sein kann. Im Gegenteil, die Sprache ist leicht verständlich und unkompliziert, aber wirkte dadurch auch manchmal, als würde sie für jüngere Leser schreiben. Gestört hat mich zu Anfang jedoch am Meisten dieses "gewollt" historisch in den Dialogteilen, diese besonders häufigen Namensnennungen (die ja vielleicht sogar historisch korrekt sind, aber im Roman eher störend) und die hochgestochene Wortwahl (für die wahrscheinlich das Gleiche gilt). Nach den ersten 60 Seiten hatte ich damit dann aber keine Probleme mehr, sondern konnte richtig ins Buch abtauchen. Nur die vielen Adelstitel und Namen waren ab und zu noch verwirrend, aber alle, die nicht im Namensregister stehen, habe ich dann auch schnell wieder vergessen...

 

Meine Meinung

Hinter den Spiegeln - Das Wiener Vermächtnis ist ein historischer Roman, der zur Zeit der k.u.k.-Monarchie spielt. k.u.k. steht für kaiserlich und königlich und dahinter versteckt sich die Doppelmonarchie Österreich-Ungarn, die von 1867 bis 1918 bestand (wer mehr darüber erfahren möchte, kann sich hier schon mal schlau machen.) Da ich nicht aus Österreich oder Ungarn komme und auch sonst in meinem Geschichte-Leistungskurs nicht so besonders viel über diese Monarchie gemacht habe, war dieser historische Roman Neuland für mich.

Richtig viel dazugelernt habe ich nicht unbedingt, weil es einfach so viel war, dass ich das Meiste unter "unwichtig" abgespeichert habe und nach dem Lesen sofort wieder vergessen habe. Wer jedoch schon mehr Erfahrung mit der österreichischen Geschichte hat, findet hier sicher ein Werk, das ihn nicht nur gut unterhalten kann, sondern ihm auch die Geschichte ein bisschen näher bringt, ohne dabei zu überladen zu sein.

Die Charaktere in diesem Buch waren zahlreich und mit den längsten Adelstiteln bestückt, so dass es zeitweise überfordern konnte, aber für mich hat es gut funktioniert, mir nur die Charaktere zu merken, die auch im Personenregister stehen. Der Rest ist ein- oder zweimal aufgetaucht und war für die Handlung nicht so wichtig. Die Personen, auf die es wirklich ankam, haben mir allesamt ganz gut gefallen.

Luise ist eine aufgeweckte, junge Frau, die durch ihren Sturz die Chance auf ein komplett anderes Leben bekommt. Besonders durch ihre Tagebucheinträge wird klar, dass sie vorher ein ganz anderer Mensch gewesen ist, so dass man sich zwischenzeitlich schon fragt, ob sie nicht vielleicht auch Schuld an den aktuellen Familienverhältnissen trägt. Man erlebt sie als Dame, die besonders freundlich zu den Dienstboten und Mitgliedern eines anderen Standes (vornehmlich den Zuckerbäckern) ist. Gerade diese Szenen fand ich besonders schön.

Der Zuckerbäcker Stephan ist nicht so ganz nach meinem Geschmack geraten. Er ist furchtbar verliebt in Luise (ohne erkennbaren Grund, meiner Meinung nach) und drückt dies auch in Briefen, die er nicht abschickt, aus. Das erinnerte mich ein bisschen an den Sturm und Drang oder die Romantik, aber für mich war es definitiv zu kitschig. So ist er ein ganz sympathischer, junger Mann, der scheinbar sehr hübsch ist, was ich mir aber nicht vorstellen konnte, weil mein Hirn den Namen Stephan nicht unbedingt mit hübschen Männern verknüpft. Wer weiß, hätte er jetzt einen anderen Namen gehabt, vielleicht wäre ich dann ja ganz begeistert von ihm gewesen...

Mein absoluter Liebling war der Reitgefährte von Luise, Jovan. Er gehört zu den Bediensteten und hat mehr Ahnung vom Unfallhergang als er eigentlich zugeben möchte, so dass er mich mehrere Male überraschen konnte. Besonders die Beziehung, die sich da anbahnt, finde ich aller erste Sahne und freue mich schon darauf, im zweiten Teil zu sehen, wie es mit den beiden weiter geht.

Und dann muss ich auch unbedingt noch ein paar Worte zu Fürst Rudolph loswerden, der zunächst als sehr unsympathischer Griesgram erscheint, später dann aber so viele Pluspunkte sammelt, dass er auf Mr. Darcy Niveau ansteigt. Hach, bei ihm liegt meine Liebe in diesem Buch, auch wenn sein Name in der Weihnachtszeit wohl eher an jemand anderen erinnert. Aber hier schafft es sein Verhalten und seine Art mich zu überzeugen und mitzureißen. Ich bin also Team Rudolph, wie man so schön sagt.

Es gibt noch so viele mehr Personen, über die ich gerne ein paar Worte loswerden würde, aber das würde dann doch den Rahmen meiner Rezension sprengen. Stattdessen möchte ich auch noch ein bisschen über den Plot sprechen, der wirklich sehr gut durchdacht gewesen ist und spannend bis zur letzten Seite. Man erfährt relativ früh, wer hier Antagonisten sein könnten, auch wenn man bis nahe zum Ende nicht weiß, wer nun Schuld an dem Unfall trägt.

Die Familienverhältnisse, aus denen Luise kommt, tragen einen großen Teil zur Spannung bei. Ihre Mutter liegt mit Depressionen auf ihrem Zimmer und kommt so gut wie nie heraus, ihr Vater, der durch seine Heirat in einen niedereren Stand eingeheiratet hat, muss sich nun auch noch um die restliche Familie seiner Frau kümmern, die das Luxusleben nicht missen will. Besonders die Tochter Gabriela ist giftig und unglücklich zugleich, weil sie auf den Bällen nie um Tänze gebeten wird. Aus dieser Familienkonstellation entwickelt sich ein großer Teil des Plots und dafür muss ich einfach ein großes Lob loswerden, weil ich mir gut vorstellen kann, wie man als Autor Stunde um Stunde nach irgendwelchen Verbindungen und Intrigen gesucht hat, um sie dann in ein so wundervolles Werk einzuflechten.

Der Teil mit der Zuckerbäckerei, der ja auf dem Klappentext eine sehr große Rolle einnimmt, ist dafür relativ kurz geraten. Ich finde nicht, dass der Klappentext den Inhalt des Romans besonders gut wiedergibt, denn Luise verbringt gar nicht so viel Zeit in der Zuckerbäckerei (wobei diese Szenen wunderschön weihnachtlich sind) und eine Mesalliance hätte ich mir dann auch noch ein bisschen anders vorgestellt. Aber gut, das war gar nicht weiter schlimm, weil ich ja sowieso - wie oben ja schon so schön gesagt - Team Rudolph bin.

 

Fazit

Ein wundervolles Buch über Intrigen und Familienverhältnisse am österreichisch-ungarischen Hof. Historisch, aber leicht bekömmlich mit viel Witz und Moment für Dauergrinsen. Meiner Meinung nach besonders geeignet, um in der kalten Jahreszeit in Ruhe zwischen Pralinen und Bällen zu schwelgen und in eine andere Welt zu flüchten. Ich war trotz anfänglicher Schwierigkeiten begeistert und wünsche mir, dass es bei euch genauso sein wird!