Perfide, eindrucksvoll, brillant erzählt und ein wenig gruselig
Bewertet mit 5 Sternen
Dieses Buch habe ich erst im Nachgang verstanden. Ich habe es eineinhalb Mal gelesen, habe es gleichermaßen verflucht und bewundert, habe mich amüsiert und mir den Kopf zerbrochen und jetzt bin ich erschüttert und tief beeindruckt.
Es geht um alles ein bisschen, nichts davon ist offensichtlich, allerdings grandios verpackt. Richard Powers hat hier ein 500 Seiten Puzzle entworfen, ein Verwirrspiel auf mehreren Ebenen, das man, wenn überhaupt, erst ganz am Schluss versteht.
Da ist ein schwer kranker Mann, der weiß, dass all sein Geld und all sein Einfluss nichts gegen Lewy-Körper-Demenz ausrichten können. Ziemlich bald wird ihm sein Leben entgleiten und bis dahin muss er seine Hinterlassenschaft regeln. Es sind noch Rechnungen offen und er erzählt, solange er noch kann.
Todd und Rafi sind beste Freunde seit der Schulzeit. Beide sind Nerds, klug und spielverrückt, Todd findet darin sogar seine Berufung und programmiert später Spiele.
Evelyn hat als Kind mit dem Tauchen angefangen und erforscht seitdem mit Leidenschaft die Unterwasserwelt der Ozeane.
Ina hat Todd und Rafi zu Studienzeiten kennengelernt. Sie ist Künstlerin und kommt von der verschlafenen Insel Makatea, wo schließlich alle zusammentreffen und Entscheidungen zu fällen sind.
Für dieses Buch braucht man Geduld und Durchhaltevermögen. Es ist brillant geschrieben, in wunderbarer Sprache mit feinem Humor und unglaublichem Fachwissen in gleich mehreren Disziplinen. Die Recherche zu diesem Buch muss unglaublich gewesen sein. Wir bekommen hier die komplette Entwicklung der IT von ihren Anfängen bis heute, Programmierung, Spieleentwicklung, mit geschichtlichem, technischem und sogar philosophischem Hintergrund, dazu noch einen Kurs in Ozeanographie und alles Wissenswerte zur Insel Makatea im Wandel der Zeiten. Das alles ist die Kulisse für die Geschichte einer Freundschaft, die auch Rätsel aufgibt. Es wechseln die Perspektiven, die Zeiten, die Orte und es dauert sehr lange, bis man den roten Faden sieht, nur um dann wieder im Regen zu stehen, wenn sich ganz am Ende die Informationen zu widersprechen beginnen.
Über das Ende musste ich länger nachdenken. Es ist berührend und dramatisch, aber da sind auch Ungereimtheiten, planvoll angelegte Ungereimtheiten, die ich erst nicht verstanden habe.
Ich glaube, mich hat die Buchbeschreibung zu sehr beeinflusst, die Dystopisches suggeriert und sagt, es ginge um die Zukunft des Inselparadieses Makatea. Dabei ist das alles nur die Kulisse, das Spielbrett des viel größeren Spiels, das der Autor mit uns hier getrieben hat, um eine finstere Botschaft zu illustrieren.
„Die tödliche Bedrohung, die von künstlicher Intelligenz ausgeht, ist vergleichbar mit der einer Pandemie oder eines Atomkriegs, und sie einzudämmen, sollte unsere oberste Priorität sein.“
Ist das so? Auf jeden Fall lernen wir hier, wie leicht sich Realitäten verschieben lassen, perfide, eindrucksvoll und ein wenig gruselig.