Rezension

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Persönlichkeitsstudie einer verunsicherten Mutter

Kleine Monster -

Kleine Monster
von Jessica Lind

Bewertet mit 5 Sternen

Luca soll in der Schule unsittlich zu einem Mädchen geworden sein. Die Eltern, Pia und Jakob, reagieren unterschiedlich. Während Jakob zuversichtlich und voller Vertrauen in die Situation geht, struggelt Pia. Sie versucht auf ihre Weise, die Szene aufzulösen. Und dann beginnt ihre Vergangenheit mit der Gegenwart zu verschwimmen. Ihre Adoptivschwester Romi findet sich in der Geschichte wieder. In Romis Gegenwart war einst deren gemeinsame Schwester Linda ertrunken.

 

Beim Lesen ergibt sich die Innenwelt einer Mutter, welche hochgradig geprägt ist von ihrer eigenen Kindheit und Ursprungsfamilie. Die Macht des Schweigens in der Vergangenheit lässt Pia bis heute misstrauisch sein, das Verhalten von Luca stets argwöhnisch hinterfragen und in ihrer eigenen Unsicherheit gefangen mäandrieren. Pia lebt nach modernen Erziehungsmethoden wie bspw. einer Tendenz zur unisexuellen Erziehung, bemüht sich den Sohn gefühls- und bedürfnisbetont zu begleiten. Luca reagiert mit Schweigen und zeigt sich zuweilen als kleines Monster, so wie Romi. 

 

Die Geschichte um Pia, ihren Mann Jakob und den Sohn Luca wird zunehmend verwoben mit Rückblicken in die Herkunftsfamilie von Pia, in der über die wichtigen Dinge nicht gesprochen wurde, in der das Wesentliche ungesagt blieb. Die eigenen Eltern arbeiteten viel mit Verboten, welche wiederum auch unausgesprochen blieben. Man tat eben vieles nicht. Pia resümiert über ihre eigene Familie: „Die Strenge, die Regeln sind nichts anderes als der Ausdruck ihrer Liebe zu uns.“ Diese Verzerrungen fressen sich bis ins Heute, in dem Pia auch als Erwachsene differenziert zurück- und ihre Eltern anblickt. „Vielleicht ist nicht alles schwarz oder weiß. Es ist Zeit, in den Schattierungen zu leben.“

 

Der Roman kommt nah an einen Psychothriller, dessen Aussagen zwischen den Zeilen stehen. Kunstvoll wird eine Spannung aufgebaut, ob und wie Pia mit ihrem Sohn in einen Frieden oder ein großes Drama steuert. Am Ende verweben sich Pias Vergangenheit und ihre Gegenwart in ein schmerzhaft zu lesendes Ende. 

 

Ich habe das Buch in einem Ritt gelesen und würde es immer wieder tun.