Rezension

Pflicht über alles?

Für immer, euer Prince - Matt Haig

Für immer, euer Prince
von Matt Haig

Bewertet mit 3 Sternen

Prince führt ein zufriedenenes Labradorleben im Kreise seiner Familie. Die Hunters – das sind Adam, Kate sowie die beiden Teenager Charlotte und Hal. Eine englische Familie, die im Kern gefestigt zu sein scheint, trotz der alltäglichen Problemchen. Prince setzt alles daran, das Glück seiner Menschen zu schützen und folgt dem sogenannten Labrador-Pakt, welcher  Regeln und Gesetze beschreibt, denen alle Labradore Folge leisten sollten. Sein Mentor ist der alte Rüde Henry, der ihm im Park täglich neue Lektionen beibringt. Das Hunde- und Menschenleben verläuft in geordneten Bahnen bis eines Tages in der Villa nebenan Simon und Emily einziehen.

"Für immer, euer Prince" (OT: "The Last Family in England") ist Matt Haigs Erstlingswerk und erschien 2004 in England. Haig stammt aus South Yorkshire in England, ist Journalist und Autor fiktiver Romane aber auch einiger Sachbücher. Aufmerksam wurde ich auf ihn durch "Ich und die Menschen" – ein Roman, der das Wesen des Menschen aus der Sicht eines Außerirdischen beschreibt. Charakteristisch in Haigs Büchern ist sein Humor, der wohldosiert eingesetzt die Lektüre angenehm und locker gestaltet, auch wenn inhaltlich durchaus ernste Themen zugrundeliegen. Man sollte zwischen den Zeilen lesen können, das vermeintlich Seichte beiseiteschieben, dann erkennt man Gesellschaftskritik und Fragen, die sich mit dem Menschsein an sich auseinandersetzen.

Ist es im zuvor erwähnten Buch ein Außerirdischer, der einen unverblümten Blick auf die Menschen wirft, so ist es hier ein Hund, genauer gesagt ein junger Labrador, der noch etwas naiv und gutgläubig durch die Welt schwanzwedelt. Mit seinen besseren Sinnen erschnüffelt er die Gefühlslage seiner Lieben, spendet Trost und muntert sie auf. Sein oberstes Ziel ist es, sie vor Unheil und Unglück zu schützen und die Familie zusammenzuhalten. Antworten darauf, wie er das anstellen soll, liefert der Labrador-Pakt. Klare Regeln, denen er nur Folge leisten muss, damit sich alles so fügt wie gewünscht. Doch das Leben lässt sich nicht immer regelkonform leben und so muss auch Prince bald erkennen, dass es die größte Herausforderung darstellt, eigene Entscheidungen zu treffen und für die Konsequenzen geradezustehen.

In diesem oberflächlich betrachtet locker-leicht anmutenden Roman greift Haig schwierige Themen auf, gibt Denkanstöße ohne den moralischen Finger zu heben. Es ist eine Geschichte, die definitiv kein Happy End hat, da macht der Autor keinem was vor, denn schon zu Beginn wird klar, wohin die Reise geht. Indem er einen Hund als Protagonist wählt und ihn die Geschichte selbst erzählen lässt, wählt er eine untypische Perspektive, die es dem Leser erlaubt aus der Distanz heraus und aus einem anderen Blickwinkel einen ungeschönten Blick auf das menschliche Zusammenleben zu werfen. Haig zeigt auf, wie schnell eine nach außen solide wirkende Familienstruktur bröckeln kann und sogar auseinanderzubrechen droht. Dabei sind es nicht immer zwingend äußere Umstände, die dafür verantwortlich sind; sie mögen ein Auslöser sein, die Ursache liegt aber oft im Inneren. Für mich auch eine wichtige und schon bekannte Erkenntnis: Es ist nicht und sollte niemals die Aufgabe eines Hundes sein, Verantwortung zu übernehmen, das obliegt dem Menschen. Außerdem ist es die Kommunikation untereinander, die wir Menschen verbessern müssen.

"Vermutlich lag genau darin das Problem der Menschen, alles war bereits viel zu oft gesagt worden. Jede Situation war nur mehr ein Echo von etwas, was bereits gesagt worden war. (...) Das war der Vorteil bei uns Hunden: Wir wissen, wann wir die Schnauze halten müssen."

Das können wir von den Hunden lernen. Nicht, dass wir Fehler machen, sondern wie wir mit den Konsequenzen daraus umgehen, ist das größte Problem im Zusammenleben. Und zu guter Letzt: Pflicht über alles ist nicht immer ein guter Ratgeber im Leben. Man sollte auch auf das Herz und das Nichtgesagte hören, die Pflichten beiseite lassen und das annehmen, was man hat. Das Leben ist kurz, ein Hundeleben sogar noch kürzer.

"Aber wie einem jeder alte Hund bestätigen kann: Nichts bleibt für immer gleich. Nicht auf Dauer. Die Zuneigung eines Welpen verwandelt sich in die Liebe eines Hundes und bald darauf in die Liebe eines alten Hundes. Sie humpelt dann noch ein paar Jahre vor sich hin, aber irgendwann muss auch die Liebe selbst eingeschläfert werden."

Alles ist im Wandel und es ist schwierig, sich immer wieder neu anzupassen und doch bleibt uns nichts anderes übrig. Täglich müssen wir uns und unser Umfeld neu bewerten, unser Verhalten hinterfragen. Das Leben steht nie still und wir dürfen das auch nicht tun. Bei allen Herausforderungen, sollten wir aber nicht vergessen, wozu wir hier auf Erden sind. Die leisen, kleinen Dinge nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern sie auch wertschätzen – eben nicht nach der Taube auf dem Dach gieren, sondern den Spatz in der Hand achten. Und so kann es das simple Schwanzwedeln eines Hundes sein, dass uns die Augen zu öffnen vermag.

Fazit

Für mich ein zwiespältiges Leseerlebnis, denn einerseits haben mir die hier beschriebenen Denkanstöße zwar gut gefallen, andererseits gab es aber auch vereinzelte Klischees und überzogen dargestellte Ereignisse, die mich störten, m. E. überflüssig waren und mir keinerlei Mehrwert bieten konnten. Auch komme ich nicht umhin, mich zu fragen, ob es für mich die Hundeperspektive wirklich gebraucht hätte, zumal ich glaube, dass sich womöglich auch die falsche Zielgruppe dadurch angesprochen fühlen könnte. Denn dieser Roman ist kein Buch über Hunde im Allgemeinen oder Labradore insbesondere. Für Hundekenner gibt es hier nichts Neues oder Wissenswertes. Insgesamt also eine Geschichte, die sich flüssig lesen lässt, gut unterhält und auch vereinzelte Denkanstöße vermitteln kann aber bei mir dennoch keinen bleibenden, tiefen Eindruck hinterlassen wird.