Rezension

Pflichtlektüre für die Generation der Digital Natives!

Ein wirklich erstaunliches Ding - Hank Green

Ein wirklich erstaunliches Ding
von Hank Green

~~April May entdeckt eines Abends in New York eine riesenhafte roboterähnliche Statue. Um diese seltsame Erscheinung zu würdigen, dreht sie gemeinsam mit ihrem Freund ein Video und stellt es auf YouTube. Schon bald geht das Video viral und der Riese – den April CARL nennt – sowie April selbst erlangen schnell so etwas wie Berühmtheit. Außer New York CARL sind zum exakt gleichen Zeitpunkt 63 weitere CARLs weltweit aufgetaucht. Keiner weiß woher sie kommen, noch was es mit ihnen auf sich hat. Das Gerücht, dass es sich bei den CARLs um ein Zeichen Außerirdischer handelt, kommt auf und verstärkt sich, zumal die CARLs, oder deren Erschaffer, einen Weg finden mit den Menschen im Traum zu kommunizieren.

'Die Carls waren mehr als mein Leben – sie waren meine Identität geworden.' (S.208)

Die Mittzwanzigerin April May zählt zu den sogenannten Digital Natives. Die Generation, die mit den sozialen Medien aufgewachsen ist, im Gegensatz zu den Digital Immigrants, die diese Welt erst im Erwachsenenalter kennengelernt haben. Ich erlebe dieses Zusammentreffen zweier Generationen selbst tagtäglich zwischen meiner Tochter und mir. Obwohl ich selbst in den sozialen Medien nicht nur unterwegs, sondern bis zu einem gewissen Grad auch aktiv bin, erstaunt und erschreckt es mich doch immer wieder, wie die sozialen Medien sich in den letzten Jahren entwickelt haben und unser Leben beeinflussen oder sogar vereinnahmt haben.
Fehler, die man heute macht, ziehen größere Kreise und schwerwiegendere Folgen nach sich, als welche, die man zu Zeiten ohne Internet gemacht hat. Dazu muss man nur eine Generation in die Vergangenheit reisen. Was wäre denn vor dreißig Jahren passiert, wenn man abends einer Skulptur wie CARL begegnet wäre?
Mich fasziniert Hank Greens Spiel mit den sozialen Medien und die Kritik, die sich aus April Mays Geschichte ziehen lässt. Wenn man erst einmal mit etwas an die Öffentlichkeit getreten ist, fällt es schwer sich wieder daraus zurückzuziehen. Es grenzt fast an den Bereich des Unmöglichen.
April steht in der Geschichte irgendwann an dem Punkt, dass sie nur noch den Weg nach vorne sieht, und kein Zurück mehr, unabhängig von den Konsequenzen. Ich dachte häufig, dass die Alternativen größer gewesen wären, ohne die breite Masse an Fans und Feinden durch die sozialen Medien im Hintergrund. April will zwar das Geheimnis der CARLs lösen, aber ihre Follower sind ihr irgendwann nicht minder wichtig.

'Das Wissen, dass eine Idee nicht die allerbeste ist, macht es nicht unbedingt wahrscheinlicher, dass man sie aufgibt.' (S.104)

Das Buch hat mich fasziniert und ich kann es kaum erwarten zu erfahren, wie es mit den CARLs weitergeht. Dennoch bin ich mir sicher, dass das Buch außer auf Faszination auch auf viel Ablehnung stoßen wird. Genauso, wie es April im Buch ergeht. Zum einen passt Hank Greens Debüt in keine Genre-Schublade, zum anderen ist die Geschichte gegen Ende echt brutal. Des Weiteren könnte ich mir vorstellen, dass es Leser gibt, denen die erste Hälfte des Buches zusagt, dann aber von der Entwicklung, die sich logisch nicht erklären lässt, abgeschreckt werden. Aber egal, wie man zu der Geschichte an sich steht, ich denke eines erreicht Hank Green bei jedem Leser: die CARLs regen zum Nachdenken an und lösen Diskussionen aus.

“Ein wirklich erstaunliches Ding” ist modern und am Puls der Zeit. Gerade durch Aprils Perspektive fühlt man sich an ihre Seite gestellt und erlebt ihre Abenteuer hautnah mit.
Das Tempo habe ich als sehr unterschiedlich empfunden. Wo zu Beginn noch alles sehr ausführlich erzählt wird und die Entwicklung der Ereignisse gefühlt so langsam vonstatten geht, dass man stellenweise denkt, dass kaum etwas passiert, so überschlagen sich am Ende die Ereignisse, so dass es nahezu ein Schock ist, wenn man auf der letzten Seite angelangt und mit vielen Fragezeichen im Kopf allein gelassen wird. Trotz des unterschiedlichen Erzähltempos hatte ich dennoch nie das Gefühl, dass die Geschichte sich in die Länge zieht, da Hank Greens Schreibstil jugendlich frisch und flüssig ist und er Kniffe einsetzt, um die Neugierde auf den späteren Verlauf zu schüren.

Hank Greens Debütroman ist in meinen Augen Pflichtprogramm für die Generation der Digital Natives!