Rezension

Phantastisch

KRYONIUM - Matthias A. K. Zimmermann

KRYONIUM
von Matthias A. K. Zimmermann

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist schwer die Begeisterung in Worte zu fassen, ohne das Gesamtwerk zu verraten. Denn die Komplexität dieses Buches wird mit jeder gelesenen Seite deutlicher. Die Zusammenhänge des Erlebten, zwischen Schein und Sein, sind überraschend.

 

„Es war der heimliche Gedanke an eine Flucht, über den ich immerwährend nachdachte; die Flucht von diesem mir unbekannten Ort.“ (S. 9, erster Satz)

 

Das Buch ist in drei Teile untergliedert. In „Amnesie“ erforscht der Ich-Erzähler das Märchenschloss und seine Grenzen. Er hat keine Erinnerungen, wirkt alters- und geschlechtslos und hat nur einen Gedanken: Flucht. Nicht nur das Ungeheuer im See vereitelt jede Flucht, auch der anschließende Wald mit seinen magischen Geschöpfen, der Hexe und ihrem Drachen, ist gefährlich.

In „Monotonie“ entpuppt sich das Märchenschloss als eine Psychiatrie. Der Erzähler kann seine Erfahrungen im Märchenschloss mit Vorfällen in der Psychiatrie verknüpfen, doch der Fluchtgedanke bleibt.

Der dritte Teil heißt „1, 10, 11, 100, 101, 110, 111, 1000, 1001“, dessen Bedeutung sich im Laufe des Buches erschließt. Der Ich-Erzähler ist mathematisch sehr begabt, sodass es immer wieder Anspielungen auf Formeln und mathematische Zusammenhänge gibt.

 

„Gewidmet ist dieses Buch Archimedes von Syrakus. Der Roman ist von seiner Formel zur Berechnung eines Kugelvolumens (4/3 ·π·r²) inspiriert, welche die Erzählstränge dieser Geschichte zusammenhält.“ (Widmung des Buches)

 

Es gibt viele Situationen, in denen die jeweilige Welt weniger real wirkt. Ein Hinweis ist die Zeitangaben, sowohl im Schloss, als auch in der Psychiatrie. Die Zeit wird durchweg mit gleichen Ziffern angegeben: der Wecker klingelt um 08:08 Uhr, abgeholt wird der Erzähler um 10:10 und bleibt bis 14:14 in der Licht-/Bastelwerkstatt. Von 17:17 bis 18:18 darf der Ich-Erzähler im Park der Psychiatrie spazieren gehen.

Worauf dieses Buch hinaus will und wie der Ich-Erzähler an sein Ziel gelangt, ist phantastisch. Viele Anspielungen und Begebenheiten werden aufgeklärt, die Gesamtsituation wird erklärt und die Identität des Ich-Erzählers offenbart. Es gibt einige Gegebenheiten, die der Gesellschaft den Spiegel vorhält, ohne den mahnenden Finger zu erheben. Das Schicksal der Wegbegleiter bleibt nicht ungewiss, es gibt am Ende keine offenen Fragen und keine ungeklärten Situationen.