Rezension

Philosophisch, andersartig und besonders! Ein Roman, den man auf sich wirken lassen muss!

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki - Haruki Murakami

Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
von Haruki Murakami

Tsukuru Tazaki ist Mitte 30, lebt in Tokio und plant als Ingenieur Bahnhöfe und deren Umbauten. Er empfindet sich als farblos und uninteressant. Für sein Studium hat er seine Heimat Nagoya verlassen und auch seine Freundesclique, die vorher ein wichtiges Element seines Lebens war. Plötzlich wenden sich die Freunde ohne Angabe eines Grundes von ihm ab und er gerät an den Rand einer Depression, die ihn fast in den Tod führt. Nur seine ihn ausfüllende Arbeit und eine routinemäßige Ausrichtung seines Lebens lässt ihn diese Lebenskrise überstehen.

"*In diesem Moment erkannte Tsukuru Tazaki es. Er begriff endlich in den Tiefen seiner Seele, dass es nicht nur die Harmonie war, die die Herzen der Menschen verband. Viel tiefer war die Verbindung von Wunde zu Wunde. Von Schmerz zu Schmerz. Von Schwäche zu Schwäche. Es gab keine Stille ohne den Schrei des Leides, keine Vergebung, ohne dass Blut floss, und keine Überwindung ohne schmerzhaften Verlust. Sie bildeten das Fundament der wahren Harmonie.*" Zitat Seite 266

In diesen Roman musste ich mich erst ein wenig einlesen, ehe er mich mit seiner Geschichte um Tsukuru gefangen nahm. Murakamis Worte berühren mich tief im Inneren. Seine sprachlichen Fähigkeiten stellt er hier eindrucksvoll unter Beweis. Dabei bilden die philosophischen Gespräche, die seltsamen Erzählungen und wirren Träume nur den melancholischen Hintergrund für die realen Erlebnisse Tsukurus. Seine Grundbetrachtung des Lebens wird hier tiefgründig erläutert und man kommt seiner Person innerlich nahe.

Die Bindungsängste des Protagonisten Tsukuru resultieren aus der Tatsache des Ausgestossen-Seins vor 15 Jahren aus seiner Jugendclique. Als sie sich alle von ihm abwandten, ist er fast verzweifelt und wurde depressiv. Doch seine innere Kraft half ihm, in seinem Leben mit Routine und regelmäßigem Schwimmen
neuen Halt zu finden. Da er damals nicht den Mut hatte, nach dem wahren Grund der Ablehnung zu fragen, lebt er seitdem mit einem mangelndem Selbstwertgefühl und hat Probleme, sich fest zu binden. Er fühlt sich farblos und unbedeutend. Seine neue Freundin Sara spürt das und schlägt ihm eine Reise in seine Vergangenheit und ein Treffen mit seinen Ex-Freunden vor, um sich von seinen eigenen Schuldgefühlen frei zu machen. Nur so kann er sich auch Sara gegenüber völlig öffnen.
 
In dieser Geschichte wird tiefsinnig, aber auch feinfühlig über Freundschaft, Schuld und Liebe erzählt. Man erfährt wie manche Menschen diesem Schmerz über verlorene Liebe erliegen und wie andere darüber hinweg kommen und neue Hoffnung schöpfen.
Dabei vergleicht man unweigerlich sein eigenes Leben mit denen der dargestellten Personen und stellt sich die Frage, welche Freundschaften für das eigene Ich wirklich wichtig sind. Welche Freundschaft hat mich geprät, verändert oder weiter entwickelt.
Dieses Buch macht nachdenklich, indem es Zusammenhänge in zwischenmenschlichen Beziehungen aufzeigt. 
 
Eine beeindruckende Lektüre über Freundschaft, Liebe und die Lebensphilosophie verschiedener Menschen. Sprachlich gut verpackt in anspruchsvolle Worte und Stimmungen. Wie ändert sich der Mensch unter dem Einfluss anderer Personen? Mich hat dieses Buch sehr berührt.