Rezension

Pittoreskes Zeitbild spannend erzählt

Das Buch des Totengräbers -

Das Buch des Totengräbers
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 5 Sternen

Wien Ende des 19. Jahrhunderts. Eine aufregende Zeit, in der das Leben und Denken des Kaiserreiches kollidiert mit befremdlich erscheinenden technischen Neuerungen und althergebrachtem Aberglauben. Historie geschickt verpackt in eine spannende Handlung. 

 

Der junge Leopold von Herzfeldt beginnt aus Graz kommend in Wien als Polizeiagent. In seinem Koffer befinden sich allerlei rätselhafte Instrumente, die zusammen mit seinem Hochdeutsch und  seiner vornehmen Kleidung bei den alteingesessenen Kollegen größtes Misstrauen erregen. Als mehrere Dienstmädchen ermordet vorgefunden werden, jedes von ihnen brutal gepfählt, beginnen Herzfeldt und ein kauziger Totengräber vom Wiener Zentralfriedhof gemeinsam zu ermitteln. Der Totengräber Augustin Rothmayer ist hochgebildet und weiß alles über Todesarten und Verwesungsstufen. Und dass das Pfählen eine uralte Methode ist, um Untote unter der Erde zu halten…

 

Oliver Pötzsch versteht es meisterhaft, den Leser auf bildhaft-eindrückliche Weise in die dunkle Seite des nach außen hin so glamourösen Wien Ende des 19. Jahrhunderts zu entführen. Er schreibt so eindringlich, dass man Moder und Unrat in den dunklen Gassen zu riechen glaubt. Das Buch ist nichts für Zartbesaitete! Es ist die Zeit der beginnenden Elektrifizierung, erster Automobile, erster Telefone, was mit Neugier und Angst gleichermaßen aufgenommen wird. Kein Wunder also, dass Leopold von Herzfeldt mit seiner Leidenschaft für moderne Kriminalistik Missfallen erregt. Der Autor machte mir das enorme Spannungsfeld zwischen modernen Errungenschaften und dem Festhalten am Altbekannten sehr augenfällig. Erschreckend auch der allgegenwärtige Antisemitismus und die Brutalität, die sich hinter Unwissenheit, Angst und Aberglauben versteckt. Geschickt werden überlieferte und sorgfältig recherchierte historische Details und rückständiges Denken dieser Zeit im Buch eingestreut, ohne dass die immanente Spannung des Kriminalromans darunter leidet. Ein Kriminalroman mit Mehrwert, farbig-lebendig erzählt.