Rezension

Plädoyer gegen Mobbing

Wenn das Meer leuchtet - Jessica Koch

Wenn das Meer leuchtet
von Jessica Koch

Bewertet mit 4 Sternen

Marie freut sich auf ihren Neuanfang: Nach schrecklichen Jahren voller Mobbing und Ausgrenzung hat sie die Highschool in Alabama hinter sich gelassen und möchte auf dem College in Monterey, Kalifornien noch einmal ganz von vorne beginnen. Große Hoffnung setzt sie dabei auf ihre Zimmergenossin Tiffany, mit der sie sich gerne anfreunden möchte. Nachdem diese aber Maries Geheimnis entdeckt wendet sie sich nicht nur von ihr ab, sondern gegen sie: Als Anführerin der coolsten Clique des College beginnt diese systematisch, Marie das Leben zur Hölle zu machen. Doch plötzlich erhält Marie unverhofft Hilfe von Jayden, Tiffanys Ex-Freund. Kann sie ihm wirklich trauen oder steckt etwas anderes hinter seinem Interesse?  

Die Spiegel-Beststeller-Autorin Jessica Koch wendet sich in „Wenn das Meer leuchtet“ einem traurigen und leider immer noch sehr aktuellem Thema zu: Mobbing und psychische Gewalt unter jungen Menschen. Auf eindrückliche Art und Weise schildert sie Maries Martyrium und insbesondere die Folgen der Bösartigkeiten auf ihren emotionalen und seelischen Zustand. Durch die Ausgrenzung und Ablehnung hat sie Angst vor sozialen Kontakten, sehnt sich gleichzeitig aber nach Gesellschaft. Insbesondere die verheerenden Konsequenzen, die dieses Verhalten einer starken Gruppe gegenüber ihrem wehrlosen Opfer nach sich ziehen, fand ich schockierend. Jessica Koch ist es gelungen, mich als Leser emotional komplett abzuholen, ich war in den Mobbing-Szenen gleichsam traurig und wütend und habe sehr stark mit Marie mitgelitten. Ich hoffe, möglichst viele Menschen lesen diese Plädoyer gegen Mobbing und hinterfragen in entsprechenden Situationen auch ihr eigenes Verhalten. Ein Buch, das nachdenklich stimmt.

Insbesondere die Protagonistin Marie wurde von der Autorin sehr realistisch dargestellt und vermittelt das authentische Bild eines Menschen, der die Konsequenzen seelischer Misshandlungen tragen muss: Sie wirkt psychisch gebrochen, hat  sich fast schon selbst aufgegeben, sie wehrt sich nicht mehr sondern akzeptiert ihre Opferrolle, was dazu führt dass sie sich zurückzieht und einsam ist. Lediglich für ihren kleinen Bruder lohnt es sich noch zu leben. Tiffany und ihre Clique hingegen sind wahre Hassobjekte für den Leser, so viel Gemeinheit und Bösartigkeit, aber auch Ignoranz und keinerlei Schuldbewusstsein angesichts schlimmster Ereignisse machen sprachlos. Vielleicht wurde hier der Kontrast zwischen Gut und Böse etwas zu stark und eindeutig gezeichnet, aber nur so kann wird das Geschehen in all seiner Niedertracht deutlich und berührt den Leser so stark.

Das Cover des Buches passt sowohl perfekt zum Titel, wie auch zum Inhalt, auch wenn ich in der abgebildeten weiblichen Person nicht unbedingt Marie erkannt hätte (diese wird als eher kurvig beschrieben und würde sich niemals trauen, einen Minirock anzuziehen). Das Farbspiel mit dem hellen Mond, in dem der Titel abgedruckt wird sowie dem blauen Meer und dem Liebespaar auf dem Segelschiff, welches nur als Umrisse erkennbar ist, empfinde ich als absolut ansprechend und stimmig.

Das einzige, was mich an der Geschichte gestört hat, ist Jayden. Ich habe nicht wirklich verstanden, was seinen plötzlichen Sinneswandel hervorgerufen hat und warum genau er sich in Marie verliebt – schließlich hat er zu Anfang beim Mobbing mitgemacht und ein richtiges Kennenlernen hat auch nie stattgefunden. Vielmehr ist der Kontakt aus Mitleid entstanden, tiefgreifende Gespräche zum Kennenlernen gab es nicht. Auch das „Wetten“ fand ich komplett daneben, das hat nicht zu seinem liebenswerten Charakter gepasst, den die Autorin versucht hat zu zeichnen. Für mich war Jayden somit schwer greifbar, sondern aufgrund einiger gegensätzlicher Verhaltensweisen eher unauthentisch und ich habe ihm seine Entwicklung und plötzlichen Gefühle für Marie nicht abgenommen. Insgesamt ging mir die Liebesgeschichte zwischen den beiden viel zu schnell – gerade hatte Marie noch Angst vor ihm und  im nächsten Moment kann sie sich fallen lassen und verlieben. Aufgrund des jahrelangen Zurückziehens und der schwere ihrer psychischen Verletzungen kann ich mir nicht vorstellen, dass sie sich so schnell einem ehemaligen Peiniger öffnen kann. Ihre Reaktion auf Tiffanys „Enthüllung“, die zum Showdown und Maries tragischer Reaktion geführt hat war vorsehbar und hätte sich mit Kommunikation vermeiden lassen. Auch das Ende ging mir zu schnell, hier hätten einige Seiten mehr gut getan, um die Hinter- und Beweggründe sowie die neuen Lebensumstände der Protagonisten nachvollziehen zu können.

Mein Fazit:

„Wenn das Meer leuchtet“ ist ein tolles Buch, das eindringlich über ein wichtiges Thema aufklärt und den Leser mitfühlen lässt was es bedeutet, ausgeschlossen zu werden. Der berührende Schreibstil der Autorin macht kleinere inhaltliche Schwächen wett und ich würde das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen.