Rezension

Playground

Das große Spiel -

Das große Spiel
von Richard Powers

Bewertet mit 5 Sternen

Selbst, wenn ich die Pointe dieses Buches spoilern wollte, ich könnte es gar nicht. Zum einen will ich den anderen Leserinnen und Lesern natürlich nicht die Lust an der Lektüre verderben, zum anderen bin ich mir gar nicht sicher, ob ich den Twist der letzten 50 von mehr als 500 Seiten wirklich verstanden habe. 

Ich versuche zu sortieren. Das Buch beginnt auf einem Atoll im Südpazifik, viele tausend Kilometer vom nächsten Festland entfernt. Makatea, so der Name, hat nicht mal mehr 300 Einwohner und erholt sich gerade vom ersten Angriff des Kapitalismus auf die Schätze der Natur. Das Atoll ist der zentrale Ort des Buches, äußere und/oder innere Heimat für die Protagonisten. Sinnbild für die Kämpfe unserer Zeit. Umgeben von dem Wasser, aus dem wir alle kommen, und das zwei Drittel unserer Erde bedeckt. Inmitten von Millionen von Organismen, die in diesem Wasser leben, und die die Menschheit gerade rücksichtslos ausbeutet und ermordet. Makatea ist die Heimat von Rafi und Ina, so scheint es zumindest. Ina kommt vom Atoll und ist nach dem Kunststudium dahin zurückgekehrt, sie arbeitet Souvenirs aus Muscheln, die sie am Strand findet und schöpft Kunst aus den Plastikrelikten, die das Meer ebenfalls an die Küste schwemmt. Sie lebt dort mit Rafi, einem Studienfreund, mit dem sie nun verheiratet ist. 

Zu Studienzeiten gab es einen Dritten im Bunde, Todd Keane. Die beiden Jungs sind und waren alle Gegensätze. Schwarz – weiß, arm – reich, Büchernerd – Computernerd. Zwischen Todd und Rafi entsteht eine reine platonische Liebe unzerstörbaren Ausmaßes. Die beiden sind eine Kernschmelze. Das Leben drängt sie aneinander und reißt sie auseinander, aber bis zum sprichwörtlich letzten Moment gibt es ein unzertrennbares Band zwischen beiden. 

Mit der Schilderung der Entstehung des Lebens auf Makatea, einem Schöpfungsmythos, einer Menschheitserzählung, beginnt das Buch, und ab der ersten Seite sind wir verloren an diesen Text. In vielen Kritiken über viele Texte wird ja vom sogenannten „Sog“ geschwafelt, den ein Text entwickelt. Hier ist der Sog wahrhaftig. Denn die vierte Protagonistin, Evelyne Beaulieu, ist eine hochbetagte Dame und Ozeanografin, die immer noch so oft wie möglich in die Tiefen des Pazifiks abtaucht, um ihre Freunde, Rochen und Mantas, Knallkrebse, selbstleuchtende Bakterien und jede Art von Tiefseebewohnern zu besuchen. 

Todd ist in Chicago geblieben, in der Stadt, in der die drei studiert haben. Er hat eines der ersten Computerspiele erfunden. Und hat es logischerweise „Playground“, Spielplatz genannt. „Playground“ ist auch der Originaltitel des Buches. „Playground“ ist ein klassisches Aufbauspiel. Die Menschen bauen eine künstliche Welt auf, diskutieren, bewerten, bauen auf, verdienen Geld, hier „Playbucks“. Und das Spiel wächst und wächst und wächst, …. Und löst Verrat und Betrug aus.

Powers schafft aus diesen vier Erzählsträngen seine sehr eigene literarische Makraméearbeit. Denen muss der Leser folgen, und das erfordert Konzentration und Ausdauer. Welcher Abschnitt gehört zu welcher Geschichte? Was gehört in welche Zeit? Was ist Realität und was? Ja was? Aber – wir werden auch belohnt. Der Autor führt uns durch (fast) alle brennenden Themen dieser Zeit: Umweltverschmutzung und Klimaschutz, Zivilisationskritik, KI, auch die der 3. Generation, Freundschaft, Gemeinschaft, Familie. Mit poetischen Schilderungen des Lebens unter Wasser, berührenden Zeugnissen über Freundschaft und klarsichtigen Vorsagen über die Zukunft unserer Spezies. Sein Schreibstil ist eine gute Mischung aus Irving, Auster, Roth und Nesser. Und tritt angenehm hinter der Konstruktion des Textes zurück.

„Ta’aroa erschuf Ta’aroa, und dann erschuf er ein Ei, um darin zu wohnen.“