Rezension

Poesie im Eiscafé

Die Eismacher
von Ernest van der Kwast

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Holländer, der einen Roman über eine italienische Eismacher-Familie schreibt … aber warum nicht, schließlich betreibt die italienische Familie seit Generationen im Sommer ein Eiscafé in Rotterdam. Doch Giovanni, ältester Sohn seiner Generation, hat andere Pläne: er studiert Literatur und widmet sein Leben der Lyrik. Also wird sein jüngerer Bruder Luca Eismacher, denn einer muss die Tradition ja weiterführen. Gefragt wurde er nicht, es ergab sich einfach so.

Während Giovanni als Organisator eines Poesiefestivals durch die Welt reist und sich nur ab und zu entspannt im Eiscafé sehen lässt, schuftet Luca den ganzen Sommer über.  Das war für mich das Eindrucksvollste an dem Buch: die Beschreibung der knochenharten Arbeit (und ihren Folgen, die man an den Beschwerden der Eltern sehen kann), die der Betrieb eines Eiscafés erfordert. Dass Luca Giovanni seine Entscheidung, der Tradition den Rücken zu kehren, übel nimmt, ist verständlich. Doch auch nachdem Luca Sophia geheiratet hat, in die auch Giovanni früher verliebt war, bleibt die Beziehung zwischen den beiden Brüdern angespannt, nicht zuletzt weil Luca irgendwann nicht umhin kann, Giovanni um einen sehr speziellen Gefallen zu bitten…

Das Buch ist völlig anders als ich es von der Leseprobe und dem  zwar schönen, aber doch etwas kitschigen Cover erwartet hatte. Es ist keine leichte Sommerlektüre für den Strand. Es ist eine Familiengeschichte, aber sie geht tiefer. Sie beschreibt mehr die Spannungen und Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern als dass sie tatsächlich eine Geschichte erzählt. Es werden viele Gedichte zitiert und über Dichter und Poesie diskutiert. Der Autor liebt Beschreibungen – da muss man als Leser manchmal Geduld haben und sich einfach an ihnen erfreuen, auch wenn man lieber wissen wollte, wie es weitergeht.

Es sind die kleinen Begebenheiten und Dialoge, die dieses Buch ausmachen und die es zu einem Ganzen machen. Oberflächlich gesehen ist es relativ zerstückelt und man braucht eine Weile, um hineinzufinden und das Gesamtbild zu sehen.

Dass ich dem Buch "nur" 4 Sterne gebe, liegt daran, dass ich sehr handlungsfixiert bin, was dieses Buch aber definitiv nicht ist. Ich will viele Hintergrundinformationen haben und ich mag keine offenen Enden. Mir ist klar, dass das nicht das Ziel des Autors ist, aber mir persönlich fehlt da eben eine Kleinigkeit… Trotzdem werde ich ganz sicher auch das erste Buch des Autors  "Fünf Viertelstunden bis zum Meer" lesen, denn Schreiben kann der Mann!