Rezension

Poetische Charakterisierung eines Wissenschaftlers

Das Geheimnis der Eulerschen Formel - Yoko Ogawa

Das Geheimnis der Eulerschen Formel
von Yoko Ogawa

Bewertet mit 4 Sternen

Yoko Ogawa zeichnet ein verträumtes Bild der abstraktesten aller Wissenschaften. Im Vordergrund steht dabei die Charakterisierung eines an Gedächtnisschwund erkrankten Mathematikprofessors, doch auch die Wissenschaft an sich wird durch poetische Sprache und romantische Vergleiche auf ganz besondere Art gewürdigt.

In 'Das Geheimnis der Eulerschen Formel' landet eine alleinerziehende Haushälterin bei einem ehemaligen Mathematikprofessor, dessen Gedächtnis seit einem Unfall nur noch 80 Minuten umfassen kann. Durch viele Notizzettel, die er sich an die Kleidung heftet, hat der Mann gelernt mit seiner Krankheit zu leben. Ersten Zugang zu seiner Umwelt stellt er in erster Linie durch Zahlen her, indem er der Haushälterin z.B. einen Zusammenhang zwischen ihrem Geburtstag und einer Gravur auf seiner Uhr aufzeigt. Nach und nach lernen die Haushälterin und ihr Sohn (vom Professor liebevoll 'Root' getauft, ob seines flachen Schädels - so flach wie das Dach des Wurzelzeichens) die Ausflüge in die Welt der Zahlen zu schätzen, die ihnen der Professor verschafft. Sie lernen vollkommene (perfekte) und befreundete Zahlen kennen und entwickeln selbst ein Interesse an dem Lösen mathematischer Probleme (im Kleinen, versteht sich). Darüber hinaus gewinnen sie den Professor lieb und adoptieren ihn quasi in ihre Familie.

Dieses Buch ist leise. Es ist romantisch, poetisch und schön. Es steckt voller Bewunderung für die Mathematik an sich, aber noch mehr zeichnet es ein liebevolles Bild eines aufgrund der Umstände in seiner eigenen Welt gefangenen Wissenschaftlers. Ich hatte das Glück, an der Universität in eine mathematische Familie zu stolpern, die genauso ist wie der Professor: liebevoll und hilfsbereit anderen Menschen gegenüber, verzückt von einer Welt voller Formeln, die den meisten anderen Menschen verschlossen ist, bescheiden, wenn es um die eigenen (höchst bemerkenswerten) Leistungen geht und teilweise etwas weltfremd. Aber liebenswert. Für dieses Portrait bin ich Yoko Ogawa sehr dankbar, weil es einen Menschenschlag zeigt, der sonst eher für sich bleibt und außerhalb seiner wissenschaftlichen Welt nicht groß in Erscheinung tritt. Da gibt es nämlich auch ganz andere.

Das einzige, was ich kritisieren muss, ist, dass die Übersetzung offensichtlich keinem Fachmathematiker vor der Veröffentlichung gezeigt wurde. Einige mathematische Aussagen des Professors sind schlichtweg falsch formuliert. Das ist schade, weil es gerade das erschwert, was das Buch meiner Meinung nach (auch) vermitteln will: Wie schön und nachvollziehbar mathematische Definitionen sein können.

'Das Geheimnis der Eulerschen Formel' ist ein Buch für alle, die sich für Wissenschaft(en) und die Menschen dahinter interessieren. Auch wenn die hier charakterisierte Person eine positive, liebenswerte Ausnahme bildet.

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 26. Januar 2018 um 09:24

Der Mathematiker als eigener Menschenschlag ;-))).  Dass das Buch nicht durch die Hand eines Fachwissenschafters ging, ist mehr als dumm! Hast du an den Verlag geschrieben?! Das wäre sicherlich hilfreich für ähnliche Projekte.