Rezension

Poetische Unterhaltung

Hectors Reise - Francois Lelord

Hectors Reise
von François Lelord

Bewertet mit 4 Sternen

Wer wenig Zeit hat zum Lesen komplizierter psychologischer Bände, findet in diesem amüsanten Taschenbuch alle wesentlichen Grundregeln zur Erreichung und Erhaltung des persönlichen Glücks zusammengefaßt. Und das auch noch verpackt in eine spannende Handlung und mit viel Humor gewürzt. Das Buch ist ein nützliches Sachbuch und zugleich ein netter Roman mit mehr Tiefgang, als man unter seiner einfachen fast glatten Oberfläche vermutet. Natürlich kann eine Lektüre nicht jeden glücklich machen, das brauche ich Ihnen auch nicht zu schwören, denn ich bin gewissen allzu löblichen Klappentexten gegenüber kritisch eingestellt. Aber das Lesen des Büchleins hat mir trotzdem Spaß gemacht, und man kann auch Nutzwert daraus ziehen.

Wer meint, hier wären nur banale Allerweltsweisheiten von einem Mode-Psycho-Guru zusammengetragen worden, hat wahrscheinlich übersehen, daß hier nicht nur die fünf Arten menschlichen Glücksgefühls wissenschaftlich klassifiziert und geordnet aufgezeigt werden, sondern auch ein ordentlicher Schuß Gesellschaftskritik einfließt. Nebenbei wird ganz geschickt auf die Gefahren des Alkoholkonsums hingewiesen. Autor Francois Lelord hat die Fähigkeit, komplizierte psychologische Verhaltensweisen und gewisse politische und wirtschaftliche Sachverhalte ganz vorurteilslos so kompakt und verständlich zu erklären, daß auch ein einfacher Mensch ohne Vorwissen begreifen kann, was gemeint ist. Diese Vorgehensweise in Verbindung mit einfacher, fremdwortfreier Sprache wird gern als naiv verlacht, sie führt aber dazu, daß man Zusammenhänge und Hintergründe verdeutlicht, die sonst gern verdeckt oder unausgesprochen bleiben. Es ist ein wenig so wie in "Des Kaisers neue Kleider". Die nackte Wahrheit erst zu erkennen und dann auch noch laut auszusprechen ist eben nicht immer schmeichelhaft für die Beteiligten.

Der Autor hat nicht, wie manche seiner Kollegen das Fach Psychologie studiert, um seine eigenen seelischen Probleme in den Griff zu kriegen, sondern schon sein Vater hat als Psychologe praktiziert, und der Sohn wuchs seit seiner Kindheit in den Beruf hinein. Lelord hat sozusagen eine Familientradition weitergeführt. Außerdem zeigt sein Lebenslauf mit Auslandsstudien an Eliteuniversitäten, daß hier kein Dünnbrettbohrer am Werk war sondern ein international anerkannter Wissenschaftler mit einer Menge praktischer Erfahrung. Und aus dieser heraus ist dieses Buch entstanden, das sich flüssig liest und mit viel Witz und Verstand essentielle Lebensweisheiten vermittelt. Auch ich konnte dieses Buch genießen, obwohl ich schon eine Menge Fachbücher über Psychologie und Neurobiologie gelesen habe. Ich fand nämlich in klarer und vereinfachter Form die neuesten neurobiologischen Erkenntnisse dargestellt, und das auch noch verbunden mit asiatischer Weisheit. Die Lektüre empfiehlt sich also bestens für Querdenker und ich könnte das Buch zum Beispiel in die Sachbuch-Abteilung unter Psychologie oder Neurobiologie einordnen, aber genausogut auch zwischen die Romane oder unter Lebenshilfe. Das Buch hätte normalerweise fünf Sterne verdient, bekommt aber einen Punkt Abzug dafür, daß es bisweilen wohl ungeschickt und in einem konkreten Fall falsch übersetzt wurde (vielleicht kommen daher auch die vielen negativen Kritiken über die allzu simplen Sätze). Ich habe durchaus nichts gegen eine einfache Sprache, die sich um Verständlichkeit bemüht, man sollte als Übersetzer allerdings schon den Unterschied zwischen einer Zäsur und einer Zensur kennen, gell?