Poetischer und berührender Beitrag zum Thema Resozialisierung
Bewertet mit 4 Sternen
Der 23-jährige Arthur soll nach einem Gefängnisaufenthalt in einem Resozialisierungsprojekt auf sein neues Leben vorbereitet werden. Doch das Fußfassen ist schwierig.
Nicht nur ihrem Helden, auch dem Leser gewährt Bachmannpreisträgerin Birgit Birnbacher keinen leichten Einstieg. Zunächst muss man ein wenig hinein lesen in die Geschichte. Erst nach und nach rücken die Protagonisten näher. Nichts wird erklärt, Szene reiht sich an Szene.
Wir begegnen Arthur in der Mensa, wo er jetzt gerade steht und sich einen Kaffee ziehen möchte. Dann vor anderthalb Jahren bei seinem Therapeuten. Und erst mit Hilfe der Rückblenden, beginnend bei seiner Geburt, dürfen wir uns Stück für Stück aus Fragmenten ein Bild des jungen Mannes zusammensetzen. Das zeigt einen freundlichen, harmonieliebenden Charakter, sensibel, nachdenklich, ohne feste Ziele als das, möglichst wenig aufzufallen. Immer verwunderter stellt man sich die Frage, wie er wohl den Weg in die Kriminalität gefunden haben mag.
Sein Therapeut Vogl taugt als Held noch weniger. Unangepasst bis störrisch, problembehaftet, dem Alkohol zugeneigt, steht er selbst seinem Erfolg am meisten im Weg.
Ungewöhnlich sind sie alle, die Personen, die Arthur in seinem Leben begegnen. Die Interaktionen, auch die fehlenden und gerade dadurch nicht minder ausdrucksstarken, und die originellen Dialoge sorgen mit dem anspruchsvollen Schreibstil und der warmherzigen Ironie für ein besonderes Lesevergnügen, gelegentlich gekrönt von wunderbar poetischen Gedanken.
Die Themen Strafvollzug und Resozialisierung werden kritisch und derart exemplarisch angegangen, dass es nicht wundert, am Ende den Dank gegenüber der „realen Vorlage“ zu lesen. Da ist durchaus ein Anliegen spürbar: Hinter der individuellen Geschichte eines Gestrauchelten verbirgt sich der Appell, offen zu bleiben, Hilfen zu gewähren, menschlich zu handeln.