Rezension

Polarisierend

Vox - Christina Dalcher

Vox
von Christina Dalcher

Bewertet mit 3 Sternen

Dass christliche Fundamentalisten an die Macht kommen und auf geradezu obszöne Weise Frauen unterdrücken ist ein spannendes Thema, das Margaret Atwood schon in den 90er Jahren behandelt hat. Aktuell ist „Report der Magd“ in aller Munde. Es ist durchaus legitim, dieses Thema aufzugreifen, allerdings muss ein Buch damit auch den direkten Vergleich zu Frau Atwood aushalten und, ehrlich gesagt, welches Buch schafft das schon? In Amerika hat das Regime gewechselt. Man möchte die Frauen an den Herd schicken, sie sollen dem Mann dienen, wie es ihre Aufgabe ist, was der Guru Carl Corbin sogar mit Bibelzitaten belegen kann. Knall auf Fall werden alle Frauen aus der Berufswelt entfernt, man nimmt ihnen Laptops, Bücher, Handys und verpasst ihnen sogar noch einen Wortzähler. 100 Worte täglich sind erlaubt. Danach ist Ruhe. Jean McClellan hat mit dieser Situation ganz besonders zu kämpfen. Sie ist Neurolinguistin, Wissenschaftlerin, gewohnt mit Sprache umzugehen, Bücher waren ihr Leben und nun das. Natürlich ist so ein Szenario überspitzt, aber wenn man sieht, was sich rechtspopulistische Strömungen so ausdenken oder über so manche Maßnahme der aktuellen amerikanischen Regierung den Kopf schüttelt, dann ist dieses Gedankenexperiment zumindest vorstellbar. Ich denke, dieses Buch wird die Leserschaft spalten. Fans von „Report der Magd“ kommen nicht umhin, Vergleiche zu ziehen und dabei fällt zunächst die sehr simple Sprache auf. Man würde sich schon gerne noch einmal auf so eine krude Geschichte einlassen, aber es fehlt die Finesse einer Margaret Atwood. „Vox“ ist eindeutig für eine Leserschaft bestimmt, die eher die leichte Muse mag. Einfache Sprache, ein bisschen dystopischer Grusel, leichter Wissenschaftsthrill, aufgepeppt mit Liebeswirren. Es liest sich schnell, es fesselt durchaus, nur darf man nicht allzu sehr auf Logik pochen. Einiges kommt recht unvermittelt daher. Gerade heute ist es wichtig darüber nachzudenken, was religiöse Fundamentalisten mit einer Gesellschaft anstellen könnten, wenn man sie ließe. In muslimischen Ländern werden die Rechte der Frauen jetzt schon stark beschnitten. Würden christliche Eiferer es besser machen? Ist eigentlich Religion per se frauenfeindlich? Das ist ein wichtiges Thema und insofern ist dieses Buch aufrüttelnd. Nur darf man keine hochwertige Lektüre erwarten. Andererseits ist es doch auch ein nobles Ansinnen, die Menschheit auf leichte Art aufzurütteln. Warum nicht?
 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 15. August 2018 um 09:17

Schön rund! Ich habs auch gelesen und fand es ebenfalls gar nicht schlecht. Vor allem geeignet für Frauen mit niedrigem Blutdruck. Er schnellt garantiert in die Höhe.

Es ist tatsächlich was dran mit der Freuenfeindlichkeit in den Religionen. Jedenfalls dann, wenn der wichtige Gesichtspunkt der Freiwilligkeit großzügig übergangen oder ausgelassen wird.

Äh, und: die Frauenfeindlichkeit ist älter! Älter als der Islam, älter als das Christentum.