Rezension

Portrait einer Frauenfreundschaft in Fortsetzungen

Meine geniale Freundin - Elena Ferrante

Meine geniale Freundin
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Nachdem die Werbetrommel für diesen Roman – erster Band einer Saga, deren übrige drei Bände schon bald veröffentlicht werden sollen –  so kräftig gedreht wurde, war ich sehr neugierig auf das Buch. So viel, wie es vorab zu versprechen schien, bot es dann jedoch nicht. Es ist eine eher durchschnittliche Familiensaga. Nur mit einiger Mühe habe ich mich in die Geschichte hineinfinden können, weil die mitwirkenden Personen so  zahlreich sind. Ihrer sind eine ganze Reihe neapolitanischer Handwerker und Händler nebst Kindern, deren italienische Vor- und Nachnamen sich nicht leicht merken lassen. Oft musste ich zur Orientierung nach vorne auf das dort abgedruckte Personenregister zurückgreifen. Die beiden wichtigsten Personen sind die Ich-Erzählerin Elena Greco, genannt Lenù, und Raffaella Cerullo, von Elena nur Lila genannt. Um ihr Heranwachsen im Neapel der 40er/50er Jahre bis hin zu ihrem 16. Lebensjahr geht es in der Geschichte. Beide sind hochintelligent und lernbegierig; der Buchtitel bezieht sich komischerweise auf Elena, obwohl Lila nicht minder genial ist. Leider ist es nur Lenù aufgrund der Förderung durch ihre Lehrerin möglich, aufs Gymnasium zu gehen, während sich Lila der typischen italienischen Dominanz von Vater und Bruder fügen muss. Der Ausblick auf die neapolitanischen Verhältnisse mit derber Sprache, Gewalt im Viertel und Einfluss der Camorra ist sehr interessant zu lesen, wenngleich Vieles nur erahnt werden kann. Viel Handlung gibt es nicht. Im Wesentlichen werden Episoden aus dem Alltagsleben der Viertelbewohner aneinandergereiht. Dabei dominieren Schilderungen mit Schulbezug von Lenù. Ob es wirklich Freundschaft ist, was die beiden Mädchen verbindet, halte ich manchmal für fraglich. Konkurrenzdenken und Verachtung spielen zwischen ihnen nämlich durchaus eine Rolle. Offensichtlich hält ihre Verbindung aber über 60 Jahre. Der letzte Abschnitt, davon insbesondere der letzte Satz, ist ein wahrer Cliffhanger und weckt meine Neugier auf die Fortsetzung.

 

Empfohlen für LeserInnen von Familiensagen.