Rezension

Postapokalyptisches Abenteuer im Yukon Territory

Wie Wölfe im Winter - Tyrell Johnson

Wie Wölfe im Winter
von Tyrell Johnson

Bewertet mit 4.5 Sternen

Nach einem Krieg, in dem Grippeviren zum Einsatz kamen, ist Nordamerika von einer verheerenden globalen Grippe-Edemie heimgesucht worden. Nur jeder zweite Erkrankte hatte eine Überlebenschance; viele Menschen starben, als panisch ganze Städte abgefackelt wurden, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen. Die Icherzählerin Gwendolyn/Lynn McBride, ihre Mutter, ihr Onkel Jeryl und dessen jugendlicher Pflegesohn haben bereits Erfahrung damit, in der Wildnis zu überleben, als sie von Alaska zum Blackstone River im kanadischen Yukon Territory übersiedeln. Früher hat die Familie in Chicago gelebt. Die Entscheidung für die abgelegene Gegend fällt, weil die kleine Truppe offensichtlich nicht gefunden werden will und weil die Gefahr der Ansteckung umso geringer ist, je weniger Menschen sie treffen. Trotzdem bleibt die ständige Unruhe, dass jeder Fremde die bescheidene Existenz der Siedler gefährden könnte.

Gwen ist Anfang 20 und als außergewöhnlich gute Bogenschützin die Versorgerin der Gruppe mit Wild, das sie jagt und in Fallen fängt. Gwen zeigt sich als geduldige Beobachterin der Natur, darüber hinaus als kluge und realistische Chronistin der sozialen Beziehungen. Unter normalen Umständen würde sie längst nicht mehr mit ihrer Mutter zusammenleben. Ramsey, der Pflegesohn Jeryls als einziger Mann, der kein Blutsverwandter ist, kommt nun wirklich nicht als Partner für Gwen infrage. Pech für die menschliche Rasse, stellt sie nüchtern fest. Als ein Nachbar der McBrides Gwens Falle ausraubt und sie körperlich angreift, gerät das heikle Gleichgewicht ihrer Existenz ins Wanken. Zusätzlich bringt das Auftauchen eines sonderbaren Fremden die Siedler in Gefahr; denn ihm könnten weitere Menschen folgen. Gwen hat Jax von Anfang an misstraut, weil er in Schnee und Eis viel zu unerfahren wirkt und zugleich übermenschliche Stärke gegen die Kälte zu haben scheint. Während Gwen um ihr Leben kämpfen muss, entfaltet sich in Rückblenden die Vorgeschichte der Beteiligten. Doch erst das Notizbuch ihres verstorbenen Vaters verrät Gwen, wer ihre Gegner sind.

Mit seinem postapokalyptischen Thriller, der nördlich des 60. Breitengrades spielt, bedient Tyrell Johnson die Abenteuerlust seiner Leser. Eine Bogenschützin, die mit ihren Talenten die Familie ernährt, klingt zunächst nach Mainstream für jugendliche Leser. Doch Gwens Sicht der Ereignisse richtet sich deutlich an New-Adult-Leser über 20, auch wenn die Icherzählerin erst noch ihren Weg zur Selbstständigkeit finden muss. Wegen des abgelegenen Schauplatzes in Schnee und Eis habe ich zu dem Roman gegriffen und mich zunehmend für Gwens Schicksal interessiert. Das Rätseln um Jax Herkunft sorgte dabei für stetige Spannung. Die Thriller-Elemente beschränken sich hier auf den Überlebenskampf einer Art Patchwork-Kleinfamilie gegen Angreifer von außen. Deon Meyer geht in seinem postapokalyptischen Roman „Fever“ vergleichsweise intensiv auf den postapokalyptischen Neugründungsprozess eines kleinen Staates ein. Müsste ich mich zwischen beiden Büchern entscheiden, würde ich zu "Fever" greifen. „Wie Wölfe im Winter“ ist dagegen ein atmosphärisch ausgezeichnet gearbeiteter postapokalyptischer Thriller mit Coming-of-Age-Anteil um eine 22-jährige Hauptfigur, den ich New-Adult-Lesern gern empfehle.