Rezension

Präzision und Details des Hebammenlebens begeisterten mich

Storchenherzen -

Storchenherzen
von Fritzi Teichert

Bewertet mit 3.5 Sternen

Über fast 500 Seiten begleiteten wir die beiden Hebammen. In den Schwangerschaftskurs, zu Wochenbettbesuchen und Geburten. Durch Beziehungschaos und Lebenswenden. Lernen die so unterschiedlichen Frauen kennen. Und zumindest ich lernte sie auch lieben.

Helga liebt ihren Job. Doch obwohl sie mit Herz und Seele Hebamme ist, schaut sie immer öfter sehr bitter auf ihre Kundschaft. LOHAS, Hippster und Influencer rauben ihr den letzten Nerv. Was sich in ironisch-sarkastischen Äußerungen und einen reichlich ruppigen Ton niederschlägt. Und sich leider auf die Zufriedenheit der werdenden Mamas auswirkt.

Um den schlechten Online-Bewertungen entgegenzuwirken stellt Helgas Praxis-Partnerin der Hebammen-Veteranin eine junge Kollegin an die Seite. Die sonnige Madita lächelt sich durchs Leben. Mit ihrer unzerstörbar guten Laune, ihrem positivem Wesen und einfühlsamen Auftreten ist sie das genaue Gegenteil ihrer Kollegin. Was reichlich Konfliktpotential birgt.

Durch Beziehungschaos und Lebenswenden

Über fast 500 Seiten begleiteten wir die beiden Hebammen. In den Schwangerschaftskurs, zu Wochenbettbesuchen und Geburten. Durch Beziehungschaos und Lebenswenden. Lernen die so unterschiedlichen Frauen kennen. Und zumindest ich lernte sie auch lieben.

War es bei der misanthropischen Helga bei mir Liebe auf den ersten Blick, brauchte ich bei der jungen, stets frohgemuten Madita sehr viel länger. Was wahrscheinlich einfach daran liegt, dass ich mich unfassbar gut mit Helga identifizieren konnte. Ihr Alter, ihre Art zu denken, ihr Pragmatismus und ihre scharfen Worte – in all dem erkannte ich mich wieder.

Und auch wenn ich mich mit dem chaotischen Sonnenkind Madita nicht identifizieren konnte, als Freundin hätte ich sie gerne. Mit ihrem Sahneherz versüßt sie die bitteren Stunden und streut Glitzer in die Welt. Welch grandiose Eigenschaft.

Den Alltag solch verschiedener Protagonistinnen zu teilen, war eine Herausforderung. Die Bandbreite an Emotionen, Begegnungen und Tragödien ist groß. Da verlor ich schon mal den Überblick über die zahlreichen Nebenfiguren und ihre persönlichen Dramen. Auch die Liebe kam mir etwas kurz.

Dafür begeisterten mich die Einblicke, die Präzision und die Details des Hebammenlebens. Wir sind dabei, wie Helga und Madita Menschen auf verschiedenste Weise ins Leben begleiten. Sie erschöpfte Mamas unterstützen. Frischgebackene Eltern in ihrer Beziehen stärken. Wie sie schwierige Komplikationen meistern. Und auch, wie sie einer Sternenkind-Mutter beistehen.

Einige der Szenen, könnten an Ängsten rühren oder unangenehme Erinnerungen wecken. Doch empfand ich den Umgang mit diesen Situationen durchgehend sensibel und achtsam. Auch empfinde ich es als enorm wichtig, auch über die Schattenseiten von Schwangerschaft und Hebammenleben zu reden.

Etwas traurig stimmte mich dagegen das allgemeine Männerbild des – dann doch – Frauenromans. Die werdenden Papas kamen mir zu schlecht weg. Was aber wahrscheinlich mal wieder an dem Kerl an meiner Seite liegt. Der mich so großartig durch die Geburten begleitete. Mir Halt und Kraft und Willen gab. Sich dabei selbst vergaß und verausgabte. Aber vielleicht erzählen die Autorinnen ja in Band zwei die Geschichte eines solchen Mannes.