Rezension

Prinzip und Schicksal

Der Ginsengjäger - Jeff Talarigo

Der Ginsengjäger
von Jeff Talarigo

Bewertet mit 3.5 Sternen

Zwischen China und Nordkorea fließt der große Fluss Tumen. Auf der chinesischen Seite lebt - einsam in einer Hütte im Wald - einer der letzten Ginseng-Jäger, bescheiden, aber in Frieden. Sein Lebensinhalt besteht einzig und allein aus der Jagd nach der seltenen, wertvollen Wurzel. Er liebt seine Abgeschiedenheit und schert sich nicht um aktuelle Geschehnisse, wie Kriege oder Krisen. Lediglich einmal im Monat macht er sich auf in die Provinzhauptstadt, um dort frische Vorräte zu kaufen und im Bordell sein fleischliches Verlangen zu stillen. Fast schicksalhaft erscheint sein Aufeinandertreffen mit einer jungen Koreanerin, die ihn von Anfang an fasziniert und sein Leben nachhaltig beeinflussen wird. Nicht länger kann er sich vor dem stetig wachsenden Elend der Menschen verschließen und seine bisher so heile Welt gerät zunehmend ins Wanken.

Die Geschichte zweier Menschen, derer Leben unterschiedlicher nicht sein könnte: Der Ginseng-Jäger, Endvierziger und festgefahren in seinen Prinzipien, und eine junge Koreanerin, die Tochter zurücklassend aus der Heimat verschleppt, gefoltert und an ein chinesisches Bordell verkauft. Auch erzählerisch stehen sich die jeweiligen Passagen kontrastreich gegenüber. Jeff Talarigo erzählt poetisch und bildreich von den Streifzügen des Ginseng-Jägers durch die Wildnis, seinen Ausflügen in die Stadt oder dessen Zusammentreffen mit der Koreanerin. Sie vertraut diesem nach und nach ihre traurige Geschichte vor einer beklemmenden, farblosen Kulisse an. Bei den namenlosen Charakteren und deren Emotionen bleibt der Autor jedoch recht oberflächlich. Große Gefühlsregungen, auch zwischen den Charakteren, bleiben aus. Dadurch richtet sich das Hauptaugenmerk des Lesers mehr auf das eigentliche Geschehen im  Hintergrund - die politischen Beziehungen zwischen China und Korea, sowie die Auswirkungen auf das Volk. Während seiner Arbeit am Roman lebte der Autor in eben jener Region, interviewte Einheimische, wie Flüchtlinge. Das Ergebnis ist ein Buch, das den Leser bedrückt und nachdenklich zurücklässt.