Rezension

Prof. Dieffenbach und die Anfänge der modernen Medizin

Die Charité - Ulrike Schweikert

Die Charité
von Ulrike Schweikert

Bewertet mit 5 Sternen

Das venerische Gift führt zu Hautausschlägen (...) Die Lymphknoten schwellen an, es gibt eiternde Geschwüre, die aber unter der Behandlung mit Quecksilber vollständig abheilen. Natürlich ist es wichtig, auch das Innere des Körpers von allem Gift zu befeien, daher die Abführ- und Schweißkuren.

3 starke Frauen und eine gemeinsame Leidenschaft: die Medizin!
Elisabeth ~ Als die junge Elisabeth 1831 ihren Dienst als Wärterin in der Charitè antritt, ist ihr schon ein wenig mulmig zumute und sie fragt sich, ob sie der Aufgabe gewachsen sein wird. Dennoch hat sie sich ganz bewusst für dieses Leben entschieden. Sie interessiert sich für die Medizin und Behandlungsmethoden und möchte helfen, da es Frauen immer noch verboten ist, Ärztin zu werden. Und schon bald ist die sanfte, mitfühlende Wärterin nicht nur bei den Patienten beliebt, sondern ihre Art wird vor allem auch von den Ärzten anerkannt und geschätzt.
Martha ~ Um ihrem schielenden Sohn August eine bessere Zukunft bieten zu können, verlässt sie ihren tyrannischen Ehemann, gibt nach einem Schicksalschlag den Beruf der Hebamme auf und verdingt sich im Totenhaus der Charité.
Ludovica ~ Die Gräfin führt ein freudloses Leben an der Seite ihres Gatten und Hypochonders. Durch ihre Wissbegier und die Gespräche mit Prof. Dieffenbach, der fast täglich zu Gast in ihrem Haus ist, beginnt sie sich für Medizin zu interessieren.
~ * ~ * ~ *
Ulrike Schweikert hat mit "Die Charitè - Zwischen Hoffnung und Schicksal" einen großartig recherchierten, schockierenden, aber auch berührenden Roman, über die Anfänge der modernen Medizin geschrieben, in dem fiktive Protagonisten neben den Großen ihrer Zeit agieren.

Ihre Recherche galt vor allem Prof. Johan Friedrich Dieffenbach, dem Vorreiter in der Behandlung muskulärer Fehlstellungen und den OP-Methoden und Patientenversorgungen der damaligen Zeit.
Dieser medizinische Teil nimmt tatsächlich einen großen Part ein und ist perfekt mit dem Zwischenmenschlichen kombiniert.
Durch ihre detaillierten Schilderungen interessanter Persönlichkeiten, starken Frauen und dem Bild der Charitè um 1831, ist der Roman unheimlich lebendig und wirkt authentisch.
Man vermag fast den Wundbrand, die Fäulnis und Eiter zu riechen und rümpft so manches Mal die Nase oder zuckt zusammen vor nachempfundenem Schmerz. Dabei ist die Sprache zumeist sehr schlicht und frei von Fachbegriffen.
Der Fakt, dass immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt wird (vom Arzt bis hin zur Wärterin) macht das Ganze zu einem interessanten, spannenden und abwechslungsreichen Lesegenuss. Ein weiteres und besonderes Highlight, ist die ein oder andere überlieferte Episode von damaligen Patienten aus der Charitè, die die Autorin miteinfliessen lässt. Im Nachwort "Dichtung und Wahrheit" verrät Ulrike Schweikert nicht nur, welche Personen auf realen Vorlagen beruhen, sondern gibt auch ihre Quellen preis, so dass man bei Interesse selber recherchieren kann.

Fazit: Ein historischer Schmöker mit Suchtfaktor, von dem ich hoffe, dass weitere Bände folgen. Bis dahin werde ich mich an die anderen Romane von Ulrike Schweikert halten, denn ich habe für mich eine neue Lieblingsautorin entdeckt, die mit einem sehr lebendigen Schreibstil einfach Geschichten erzählen kann.