Psychologische Einblicke in eine Mutter-Tochter-Beziehung
Bewertet mit 5 Sternen
Amy: Ein sechzehnjähriges Mädchen, schüchtern und unsicher, mit einem Kopf voller goldblonder Locken. Isabelle, ihre alleinerziehende Mutter, zurückgezogen und ängstlich bemüht, alles richtig zu machen. Ein Mutter-Tochter-Paar, das aufeinander angewiesen ist, doch diese Beziehung gerät aus dem Gleichgewicht, als Amy ihre Kindheit hinter sich lässt. Für die Mutter ist es nicht nur schwierig, ihre Tochter loszulassen, sie hat auch eigene unerfüllte Sehnsüchte und unverarbeitete Erinnerungen...
Erwachsen werden kann schwierig sein, und es gibt viele Bücher, die das einfühlsam beschreiben. Hier erfahren wir parallel die andere Seite: Auch für Eltern ist das nicht leicht, ganz besonders nicht, wenn es sich um eine so enge Beziehung handelt. Einblicke erhalten wir auch in das Leben und die Gefühlswelt einiger Arbeitskolleginnen von Isabelle: Da ist die mütterliche Fat Bev, Dottie, deren Ehe nach vielen Jahren zerbricht, Streit zwischen Lenora und Rosie. Amys Freundin Stacey ist mit fünfzehn Jahren schwanger, ein zwölfjähriges Mädchen verschwindet, und auch bei den feinen Damen, den Säulen der kleinstädtischen Gesellschaft, läuft längst nicht alles wie gewünscht. So zeichnet dieses Buch einen detaillierten Einblick in das Leben einer amerikanischen Kleinstadt, das nur auf den ersten Blick langweilig und ereignislos erscheinen mag.
Strout zeichnet glaubwürdige Charaktere, die mehrdimensional sind. Und in ihren Schwächen wie Stärken wirken sie zutiefst menschlich. Strouts Schilderungen sind anteilnehmend, wertschätzend, empathisch, und sie ermöglichen mir ein Mitfühlen, wie es nur selten gelingt. Ich habe diese Autorin erst vor kurzem entdeckt und lese nun nach und nach ihre bisher sechs Bücher. "Amy and Isabelle" ist ihr Erstling - was für ein Debut! Ich habe das Buch auf Englisch gelesen, doch da ich die englische Ausgabe hier nicht finden konnte, rezensiere ich die deutsche in der Hoffnung, auch andere Leser hierfür zu gewinnen.