Rezension

Psychologischer Thriller vom Feinsten

The Woman in the Window - A. J. Finn

The Woman in the Window
von A. J. Finn

Bewertet mit 5 Sternen

Thriller, die nach dem Schema F ablaufen, findet man wie Sand am Meer. Oft fehlt darin der richtige Thrill, das Aufstellen der Nackenhaare beim Lesen und die Angst, das Licht auszumachen. Zum Glück macht „The woman in the window“ alles richtig, lehnt das Schema F ab und darf sich  somit in meine Liste der Lieblingsthriller einreihen.

 

Anna Fox lebt zurückgezogen und allein in ihrem großen Haus. Nach einem traumatischen Erlebnis traut sie sich nicht mehr nach draußen zu gehen. Weil ihre Tochter und ihr Mann nicht bei ihr leben, vertreibt sie sich die Zeit damit, ihre Nachbarn zu beobachten. Als gegenüber die Familie Russell einzieht und die neue Nachbarin Anna einen Besuch abstattet, scheint zuerst alles normal. Danach wird Anna aber Zeuge eines Überfalls auf ihre Nachbarin und kann dem Drang nicht widerstehen, ihr zu Hilfe zu eilen. Ein schwerwiegender Fehler? In der Außenwelt fällt Anna in Ohnmacht und erfährt kurze Zeit später, dass nichts mit ihrer Nachbarin passiert sein soll.

 

Die Protagonistin, die „woman in the window“, die tatsächlich sehr oft mit ihrer Kamera am Fenster steht, ist Anna. Als Hauptcharakter in einem Thriller erfüllt Anna viele Voraussetzungen: Einsam, verzweifelt, leidet an einer psychischen Krankheit, hat eine mysteriöse Vergangenheit, respektiert nicht die Privatsphäre anderer. Damit wirkt sie prädestiniert für die Rolle der unscheinbaren, in Problemen verwickelten Handelnden! Im Laufe der Handlung zeigt Anna viele Seiten, macht aber auch überraschende Entscheidungen, die mich an ihr Zweifeln lassen (Kopfschütteln angesagt). Jedoch ist sie mir ans Herz gewachsen und erlebte Momente, in denen ich mit ihr fühlte und ihren Schmerz spürte. Die anderen Charaktere waren ebenfalls super von A. J. Finn gewählt und beschrieben. Jede Person trug ihren eigenen, essentiellen Teil zu der Handlung bei. Jede Person war unabdingbar. Besonders wichtig war da selbstverständlich die neue Nachbarsfamilie Russell, die mir direkt als Leser suspekt waren. Man merkt sofort, dass mit denen etwas nicht stimmt und wird von ihnen oft hinters Licht geführt.

 

A. J. Finn versteht sein Handwerk. Mit diesem Thriller hat er sich einen Platz unter den besten, nicht zu übersehenden Thrillern verdient! Ich hing an den Worten des Autors und hätte auch ohne einschneidende Ereignisse stundenlang über Annas Leben lesen können. Einige Stellen waren zwar für Leser, die sich mit alten Schwarz-Weiss-Filmen nicht auskennen, etwas langatmig und unverständlich, das tut dem Geschehen aber keinen Abbruch. An einigen Stellen mischt sich das Geschehen eines Films im Fernsehen mit dem realen, das waren Momente, in denen die Realität selbst beim Lesen verschwimmt (z.B. S. 192). Sein Schreibstil gibt der Handlung den einzigartigen Schliff, der das Werk zu einem Thriller machte, bei dem die Nerven zum Zerreißen gespannt waren und man die Welt um sich herum komplett vergaß.

 

 

Das Cover wurde ohne jegliche Veränderung aus dem Original genommen. Der Verlag hat damit eine gute Entscheidung getroffen. Mir gefällt die Gestaltung, da sie Bezug zur Handlung aufweist. Man erkennt die heruntergedrückten Jalousien, wie eine Person sie bewegen würde, wenn sie aus dem Fenster schaut. Dadurch ist das Wort „woman“ sichtbarer. Auch im Innenteil sind die Jalousie-Streifen zu finden, die mit den wenigen Schriftfarben – rot und weiß – harmonieren.

 

„The woman in the window“ ist zurecht in aller Munde und verdientermaßen einer der hochgelobten Thriller des Jahres 2018. Ich lege dieses Buch vor allem jedem Thrillerfan ans Herzen, es lässt euch sprachlos zurück!