Rezension

Psychothriller, der aufgrund der grausamen Familiengeschichte erschütternd ist

Die Rabentochter
von Karen Dionne

Bewertet mit 4 Sternen

Rachel ist 26 Jahre alt und lebt seit 15 Jahren freiwillig in einer Psychiatrie. Sie hat die Vision, ihre Mutter getötet zu haben, woraufhin sich ihr Vater selbst erschoss. Als der Bruder eines Mitpatienten, ein angehender Journalist, ihre Geschichte veröffentlichen möchte, zeigt ihr dieser den Polizeibericht, woraus hervorgeht, dass Rachel den tödlichen Schuss in ihrem zarten Alter von elf Jahren nicht abgegeben haben kann. 
Rachel möchte endlich die Wahrheit erfahren, verlässt die Klinik und begibt sich zurück in ihr Elternhaus, das stattliche Jagdhaus im Wald in Upper Peninsula, wo ihre ältere Schwester Diana zusammen mit ihrer Tante Charlotte lebt, um Erinnerungen an den Todestag ihrer Eltern hervorzurufen, die sie verdrängt hat. 

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und ist in der Vergangenheit aus der Perspektive von Jenny, Rachels Mutter geschildert. Auf diese Weise erfährt man, was zum Umzug der Familie in das einsame Jagdhaus, dem Familienbesitz des Ehemanns Peter geführt hat, die Geburt von Rachel und Einzelheiten zum schwierigen Zusammenleben mit Diana. In der Gegenwart kehrt Rachel in ihr Zuhause zurück und hat mit trügerischen Erinnerungen und Visionen zu kämpfen. 

"Rabentochter" ist ein Psychothriller, der aufgrund der grausamen Familiengeschichte erschütternd ist. Die Schilderungen von Jenny packen dabei von Anbeginn und voller Entsetzen muss man unweigerlich weiterlesen. Die Gegenwart wird dabei erst gegen Ende spannend, als sich Rachel in unmittelbare Gefahr begibt, um das Rätsel um den Tod ihrer Eltern zu lösen. 
Aufgrund des Zusammenspiels von Gegenwart und Vergangenheit ist der Roman sehr schnell vorhersehbar. Der Täter ist zu erahnen, nicht aber die Tatumstände. So geht es weniger darum herauszufinden, wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat, sondern warum und wie das passieren konnte. 
Es ist ein Psychothriller, der zeigt, wie unheimlich grausam ein Mensch sein kann und wie hilflos Angehörige reagieren bzw. so viel Bösartigkeit nicht wahrhaben wollen. Er ist allerdings arg Schwarz-Weiß geschildert und die Entwicklung der Tragödie kam mir zumal etwas konstruiert vor. Rachels Visionen erinnerten an ein Schauermärchen, was den Eindruck einer nicht ganz so realitätsnahen Erzählung noch unterstützte. Nichtdestotrotz war ich gebannt von so viel mangelnder Empathie, Eifersucht und Hilflosigkeit in dieser dysfunktionalen Familie.