Rezension

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Quantität statt Qualität

Das Erbe - Ellen Sandberg

Das Erbe
von Ellen Sandberg

Ich hatte mich auf den Roma ‘Das Erbe’ von Ellen Sandberg beworben, da ich historische Romane unglaublich gerne lese. Die Möglichkeit durch Fiktion der Geschichte etwas näher zu kommen ist generell ein Konzept, dass ich für Geschichtsvermittlung sehr gut finde. Auch das Thema der Rückerstattung von Immobilien klang auch in der heutigen Zeit wichtig und richtig. Leider hat mir der Roman überhaupt nicht zugesagt. Aufgrund der flachen Figuren, überfrachtete und hanebüchene Handlung und teilweise schlechte Recherche wurde mein Lesevergnügen geschmälert.

Zu den Figuren

Mona ist die Protagonistin und ein typisches Abbild einer naiven jungen Frau. Sie wird als Gutmensch von ihrem Umfeld betitelt, sucht sich Männer aus, die sie kleinhalten und lässt sich ziemlich verarschen. Anhand von Mona kann man schon sehr deutlich sehen, wie stereotyp die Figuren sind. Mona hat keine Ambivalenzen, die diese Figur interessant machen könnten. Dasselbe gilt für Timon/Charly. Der perfekte Typ der ihr Herz zum schmelzen bringt und oh Überraschung sie verarscht. Biene, die Hart IV Empfängerin, die sauer auf alle ist und ihr Reichtum verprasst. Über die stereotype von Monas Familie möchte ich hier gar nicht mehr reden. Dabei fehlt den Figuren an Tiefgründigkeit und wahren Erkenntnissen: Gerade bei der Aufarbeitung der Familiengeschichte im Nationalsozialismus als Täterfamilie empfindet man nicht nur 1 Minute Scharm und geht danach eine neue Küche shoppen: Die empfundene Schuld lastet auf den Schulter, sodass man sich schwerer fühlt; Übelkeit kriecht einen durch den ganzen Körper und Scham erfüllt einen sobald es um das 3. Reich geht. Diese Tiefe konnte allerdings durch die überfrachtete Handlung nicht entstehen.

Die Handlung

Die Handlung erscheint künstlich verkompliziert. Handlungslogisch werden die Probleme mit Monas Familie nicht benötigt und verkomplizieren die Handlung unnötig. Gerade durch die nicht aufgearbeitete Geschichte mir ihrer Mutter. Weniger Namen, weniger offensichtliche Verstrickungen hätten der Handlung gutgetan und dem Text vielleicht mehr Tiefe gegeben. Auch die plottwist waren nicht überraschend, da es ziemlich schnell klar war, dass Timon Charly sein muss. Gerade die völlig plakativen und unlogischen Handlungen für den Sensationszweck haben mich aus der Illusion der Fiktion herausgenommen.

Recherche

In der Erzählung finden sich einige faktische Fehler (dabei recherchiere ich maximal 10 Minuten, da ich diese 10 Minuten Recherche auch von Autoren erwarten kann)

  1. DriveNow hat einen relativ kleinen Geschäftsbereich und man kann mit den Wagen nicht nach Otterfing rausfahren.
  2. Damit eine Leiche eine Mumifikation erlebt, muss diese entweder luftdichtverschlossen gelagert sein (hier nicht gegeben) oder in mildem Klima und Wind austrocknen. Außerdem muss es dabei eine Möglichkeit geben, dass die Flüssigkeit abläuft. Ich denke nicht, dass der Dachboden dafür geeignet war, da Insekten und Aasfresser natürliche Feinde der Mumifikation sind. Die kalte und trockene Luft, die für die Mumifikation im Jahr 1949 gegeben sein müssten, lassen sich durch oberflächliche Recherche der Klimadaten nicht bestätigen, da der Winter wohl recht mild gewesen sei. Es ist doch ziemlich Unwahrscheinlich, dass es zu einer Mumifikation gekommen wäre
  3. Hierbei bin ich mir ehrlich gesagt nicht ganz sicher, da ich die Textstelle nicht zurückgefunden habe: Die beste Freundin von Sabines Oma wird m.E. einmal als Doris und einmal als Isolde bezeichnet.
  4. Wie kann eine ernstzunehmende Autorin einen Wikipedia-Artikel als Quelle zitieren? Gar nicht.
  5. Neben faktischen Fehlern gibt es logische Inkonsistenzen. Die beste Freundin wird zweimal erwähnt, trägt allerdings nicht zur Handlung bei. Wer ist Theo? Es werden einfach Figuren aus dem nichts heraufbeschworen und nicht weiterverwendet. Das führt zur Irritation.

Insgesamt bin ich wirklich unzufrieden mit dem Buch, da meine Erwartungen an einen historischen Roman nicht erfüllt worden. Sowohl die faktischen Grundlagen sind aufgrund der Quellenangabe schlecht recherchiert und auf fiktiver Ebene nicht gut umgesetzt. Als historischer Roman nicht zu empfehlen.