Rezension

Rasant und brutal

In den Fängen des Löwen
von Mons Kallentoft Markus Lutteman

Bewertet mit 4 Sternen

Zacks Kollegin Deniz Akin bringt es auf den Punkt: Zack Herry ist brillant, schön und kaputt. Zu ergänzen wäre, dass Zack für einen legendären Sonderermittler der schwedischen Polizei noch sehr jung scheint. Während Stockholm unter einer winterlichen Eisschicht erstarrt, liefert eine Kameradrohne auf der Suche nach bebaubaren Industriebrachen das Bild einer Leiche auf einem Schornstein. Das Opfer ist ein Kind. Es wurde in 40m Höhe quer über der Schornsteinöffnung praktisch gekreuzigt und den Krähen zum Fraß überlassen. Deniz und Harry stellen fest, dass der abgemagerte kleine Ismail als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Schweden kam und auf der Flucht vor einem Menschenhändler offenbar seinem Mörder in die Hände fiel. Beide Ermittler erinnert der Fall fatal an ihre eigene schwere Kindheit. Zack ist schon lange auf der Suche nach einem fehlenden Stück Erinnerung an früher; Deniz war selbst mit ihrem kleinen Bruder auf dem Rücken vor den Männern ihrer Sippe geflüchtet, die das Nein einer Frau nicht zu akzeptieren pflegten. In einem weiteren Handlungsfaden ist eine Person zu beobachten, die sich mit einem Löwenkostüm und krallenbewehrten Tatzen als beängstigend wirkendes Raubtier kostümiert.

Im zweiten von vier Bänden der Herkules-Serie bleibt lange zu rätseln, wer Täter, Opfer, Ermittler oder Zeuge ist und ob diese Rollen überhaupt klar abzugrenzen sind. Wenn Zack im 7-Eleven in einer Minute wie ein fürsorglicher älterer Bruder mit dem Mädchen Ester aus seinem Haus frühstückt und in der nächsten Minute einen bewaffneten Räuber abknallt, könnte man sich fragen, auf welcher Seite Zack eigentlich steht – Gendarm oder Räuber? Zacks enge Beziehung zu seinem Jugendfreund Abdula, der bis heute sein Dealer ist und dem Zack noch immer einen Gefallen schuldet, wird sie beide demnächst in höchste Gefahr bringen, befürchtet jedenfalls Deniz. Als weitere Tote gefunden werden und wieder ein Kind verschwindet, müssen die Ermittler sich mit lukrativen Wetten beim Russischen Roulette befassen und mit einer Firma, die erfolgreich Suchtmittel entwickelt - Handyspiele mit enger Verknüpfung zum realen Leben.

In Deniz‘ und Zacks Team scheint es kaum einen Ermittler zu geben, der nicht seelisch oder körperlich versehrt ist und der seine Kollegen nicht hasst. Der erblindete Rudolf Grän kann sehr effektiv ermitteln, weil Fremde ihn meist unterschätzen, Sirpas Knie sind hinüber, was sie jedoch nicht abhält, Mails aus anonymen Quellen auszuwerten, Chef Douglas deckt seine Mitarbeiter gern, indem er die Aufzeichnung eines Verhörs verschwinden lässt, der tadellos arbeitende Kollege Östman ist ehemaliger Alkoholiker und Niklas findet für seine Idealvorstellung vom modernen Vater nicht immer Verständnis bei seinen Kollegen. Dieser Berg an Etiketten, die den Ermittlern angeheftet wurden, war mir etwas zu viel, auch wenn mich das Setting mit mehreren Schauplätzen und die Verknüpfung der zentralen Themen Verletzung und Sucht angesprochen haben. Wenn mehr beschrieben und weniger mit Adjektiven etikettiert würde, könnte der Thriller stilistisch erheblich gewinnen. Nach der langwierigen Vorstellung des Personals entwickelt sich die Suche des Teams nach dem großen Zusammenhang und einem Ort, an dem der Löwenmann weitere Opfer gefangen halten könnte, ausgesprochen spannend. Zacks Talent, selbst dann noch den Unschuldigen zu mimen, wenn der Stein des Anstoßes längst offen vor seinem Team liegt, liefert einem für meinen Geschmack recht blutigen Thriller einen Abschluss mit winzigem Augenzwinkern.

Die Reihe
1. Die Fährte des Wolfes (2017)
2. In den Fängen des Löwen (2018)
3. Das Blut der Hirsche (2018)
4. (Heroine)