Rezension

Rassismus und seine Auswirkung (fast wie) am eigenen Leib spüren

Zusammenkunft -

Zusammenkunft
von Natasha Brown

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wer einmal Rassismus und seine verheerenden Folgen (fast) wie am eigenen Leib spüren möchte, dem sei die Lektüre „Zusammenkunft“ von Natasha Brown empfohlen. Der Autorin gelingt es in ihrem Erstlingsroman dieses gesellschaftliche Problem literarisch derart zu bearbeiten, dass der Leser den Eindruck hat, an der Stelle der namenlosen Protagonistin zu stecken.

Eigentlich hat die schwarze Ich-Erzählerin mit jamaikanischen Wurzeln alles, was man sich wünscht: einen sehr gut bezahlten Job in der Londoner Bankenwelt, der sogar mit einer Beförderung gekrönt wird und ihr einen luxuriösen Lebensstil ermöglicht, sowie einen netten Freund aus besten Verhältnissen. Alles deutet daraufhin, dass sie in der englischen High Society angekommen ist. Aber sie bemerkt langsam, dass sie niemals voll anerkannt und dazugehören wird, weder zur Entourage ihres wohlsituierten Freundes noch zum Management der Bank. Denn hier dominieren althergebrachte Denkmuster des weißen Establishments. Dies zeigt sich eindrücklich bei ihrer Beförderung, die mit Argumenten der Diversität und der Gleichberechtigung begründet wird. Zudem erlebt sie im Alltag ausgrenzende und degradierende Akte, die von Hierarchien und Rassismus zeugen und die sich wie kleine Nadelstiche anfühlen. Wir Leser sehen alles mit ihren Augen. Gefühle werden "weggedrückt", schwelen aber unter der Oberfläche. Ihre Lage spitzt sich zu, als bei ihr Krebs diagnostiziert wird, der dringend therapiert werden muss. Statt sich der Behandlung zu stellen, begibt sie sich auf eine Reise zur Feier des 40. Hochzeitstages der Eltern ihres Freundes. Dort, auf dem Land, reflektiert sie ihr Leben und überlegt, ob sie sich überhaupt der Krebstherapie aussetzen möchte. Zurecht fühlt sie sich auf ihre Hautfarbe reduziert. Aufgrund dieser Erkenntnis kann sie keine Zufriedenheit mehr erlangen. Ihr Lebenssinn schwindet, so auch der Wille den Krebs zu bekämpfen. 
Die dichte Kritik der Autorin und ihre klaren Aussagen werden durch die szenische Erzählweise untermalt, denn all dies erlebt der Leser nur durch die Augen der Erzählerin und so kann der Alltagsrassismus, den die Protagonistin am laufenden Band erlebt, am "eigenen Leib" erfahren werden. Auf diese Weise gerät man in ihren Gedankenstrudel, ein anderer Blickwinkel erscheint nicht mehr möglich. Das ist ein wirklich gelungener Zug der Autorin! Ihre Wut ist nachvollziehbar und für den Leser eine wertvolle Erfahrung!