Rezension

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Realistischer Bericht einer Essstörung.

Paperweight - Meg Haston

Paperweight
von Meg Haston

Bewertet mit 3.5 Sternen

Stevie hat ein Problem. Sich selbst. Sie hat aufgehört zu essen, denn sie möchte verschwinden.

Nicht mehr existieren in einer Welt, in der ihr Bruder bei einem Umfall starb. Für dessen Tod sie sich verantwortlich fühlt. In einer Welt, in der ihre Mutter für einen neuen Mann die Familie hinter sich gelassen hat. Deren Verschwinden Stevie als Beweis dafür sieht, wie wenig man sie lieben kann für das was sie ist.

Und dann wird sie abgeschoben. Findet sie. In eine Klinik, mitten im Nirgendwo. Wo sie „geheilt“ werden soll von ihrem Wunsch zu sterben, zu verschwinden. Wo sie lernen soll, mit sich, ihrem Körper und ihrer Vergangenheit ins Reine zu kommen. Abgeschnitten von der Außenwelt, konzentriert auf ihr ungeliebtes Selbst.

Sie kämpft. Gegen die Hilfe, gegen sich selbst.

Um nach und nach zu merken, dass das Leben doch lebenswert ist. Dass sie nicht gehen muss um die Vergangenheit zu bewältigen. Dass es eventuell doch sogar eine Zukunft gibt, in der sie sich selber akzeptieren kann.

Paperweight ist ein Buch, in dessen Zielgruppe ich nicht primär falle. Ich bin zu alt dafür. Eigentlich. Aber ich war auch mal Stevie. Nicht in solchen Extremen, aber ich kann es nachfühlen. Daher hat es mich auch fast 20 Jahre nach meinen Essstörungen interessiert, Stevie kennenzulernen und zu sehen, was aus ihr wird.

Der Schreibstil ist keiner, der mich unbedingt anspricht. Etwas einfach gestrickt, etwas platt formuliert.

Emotional nichts, was mich mitgerissen hat, bei dem ich mitleiden und die Taschentücher bereitlegen konnte. Eher eine Geschichte, bei der ich als distanzierter Beobachter mitverfolge, was aus der Protagonistin wird. Das hatte ich mir etwas anders erhofft, aber auch so war es ok.

Denn auch wenn ich selber nicht mitweinen und mitleiden konnte, so ist es doch ein brutal-realistischer Bericht einer Essstörung, einer schweren Depression in all ihren Facetten.

Und, das ist besonders wichtig, kein Prinz auf weissem Gaul, der die Dame in Not in einem plötzlich sich drehenden Finale rettet, sondern ein schwieriger, mit Rückschlägen gespickter Weg zur Normalität, zur beginnenden Genesung.
Stevie kämpft erst gegen die ausgestreckte Hand ihrer Psychologin, um sie nach und nach vorsichtig zu ergreifen, Hoffnung zu schöpfen. Es zu versuchen.

Ihr ersten Schritte in Richtung Heilung sind wackelig, sie fällt, erliegt Versuchungen, zweifelt, macht Rückschritte … es ist hart, realistisch und schwer.

Ein wichtiges Buch mit einem wichtigen Thema, dass - leider zu - Viele anspricht, die Stevie sind. Stevie in unterschiedlichen Abstufungen. Die sich verstanden fühlen, die sich selber finden in Stevie Gedanken, Gefühlen und Handlungen.

Aber Vorsicht: Für die, die Stevie hinter sich gelassen haben könnte das Buch triggern.