Rezension

Realistischer Jugendbuchthriller mit wichtigem Thema und vielschichtigem Protagonisten

Wolkendämmerung - Julia Dibbern

Wolkendämmerung
von Julia Dibbern

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Als der siebzehnjährige Nicholas die Chance bekommt, als Bordfotograf auf einem Forschungsschiff zu arbeiten, dabei einen Haufen dringend benötigtes Geld zu verdienen und seinem Traum von dem Beruf als Fotograf näher zu kommen, scheint alles perfekt. Auch die Klimaschutzmission dieses Schiffes klingt auf den ersten Blick sehr nobel. Aber warum wird Nicholas verfolgt? Und sind die Ziele dieser Mission wirklich so ehrenhaft wie sie scheinen?

Meine Meinung:

Ehrlich gesagt wusste ich nicht so ganz, was mich erwarten würde, auch wenn der Klappentext ganz spannend klang. Doch was sich dann dahinter verbarg, übertraf meine Erwartungen. Es war endlich mal wieder ein mitreißender Jugendbuchthriller, bei dem von Anfang an Spannung da ist, dadurch, dass Nicholas quasi in der ersten Szene zusammengeschlagen und von Beginn an verfolgt wird. Von dahin baut sich die Spannung dann immer mehr auf, um dann in einem actionreichen Show-Down zu enden.
Dadurch ist das Buch auch konstant fesselnd, und die fast fünfhundert Seiten flogen quasi vorbei. Erzählt wird die Geschichte vor allem aus zwei Sichten - der von Nicholas und der von Elin, einer Praktikantin aus Deutschland, die für ein paar Wochen bei Nicholas' bestem Freund Zachary wohnt und so in das Geschehen hineingezogen wird. Zwischendurch gibt es nochmal ganz kurze Abschnitte aus der Sicht ein, zwei weiterer Personen.

Handlungsort ist Kalifornien. Dabei merkt man hier deutlich, dass die Autorin selbst mal dort gelebt hat, denn es gelingt ihr, die Bilder der Strände, des Pazifiks, der Klippen, des Himmels, der Kleinstadt und sogar des Highways vor meinem inneren Auge entstehen zu lassen, sodass ich das Gefühl hatte, ich wäre dort, mitten im warmen kalifornischen Sommer statt im nasskalten deutschen Herbst. Auch die dortige Lebensweise wird ein Stück weit rübergebracht.
Dabei wird insbesondere Nicholas' Liebe zu dem Meer prägnant zum Ausdruck gebracht. Er geht jeden Tag oft mehrmals an den Strand direkt hinter seinem Haus, kennt das Meer und seine Tücken, liebt die Delfine und fühlt sich dort zuhause - all das wird dem/der Leser*in nachempfindbar vermittelt. Gerade dadurch, dass das Meer so eine wesentliche Rolle spielt, entsteht auch eine enstprechende maritime Atmosphäre.

Nicholas, auch Nick genannt, ist ein sehr vielschichtiger Protagonist mit Ecken und Kanten. Er ist alles andere als perfekt, sondern flirtet schnell mit Mädchen und bricht anschließend oft ihr Herz. Auch bei Elin, weshalb er sich mit Zachary streitet, der sich wie ein großer Bruder um das etwa gleichaltrige Mädchen kümmert. Anfangs empfand ich Nicks Verhalten hierbei noch als ein wenig unsympathisch, allerdings regt dieser Streit Nick auch zum Nachdenken an. Ansonsten steht die Liebesgeschichte im Hintergrund, auch wenn die gegenseitige Anziehung der beiden spürbar bleibt, dadurch aber authentisch ist, dass es tatsächlich "jugendliches Verliebtsein" ist.
Ansonsten war mir Nicholas aber sehr sympathisch, sodass ich gar nicht anders konnte, als ihn ins Herz zu schließen. Er verurteilt andere Leute nicht sofort. So wird er am Anfang zusammengeschlagen, weil der ärmere Teil der Stadt kein Wasser hat (darauf komm ich gleich nochmal zurück) und die Jugendlichen ihren Frust an ihm auszulassen. Statt diese nun aber dafür zu hassen, drehen sich Nicholas' Gedanken eher um den Umstand mit dem Wasser und er erklärt ihr Verhalten fast damit.

Prinzipiell vergisst man nie, dass die Hauptpersonen Jugendliche sind. Sie mutieren nie zu Superhelden, sondern bringen ihre individuellen Stärken ein, sind aber auch unsicher und haben Angst. Gerade Nicholas' Gefühle konnte ich absolut nachempfinden, da sie ausdrucksstark rüber gebracht werden, zumal er ein sehr aufbrausender Charakter sein kann und zwischendurch mit Wut, Verzweiflung und Angst kämpft.
Mal beweist Nicholas ziemlich viel Mut und Trotz, dann wieder wirkt er jungenhaft, unsicher, zweifelnd. Die meisten seiner Gefühle und Handlungen konnte ich nachvollziehen und er wirkt, ebenso wie die anderen Charaktere, sehr lebensecht, auch wenn auch Elin und Zachary neben ihm ein wenig verblassen, weil er so ein vielschichtiger und facettenreicher Charakter ist.
In Nicks Erzählstil mischt sich dabei immer ein leicht sarkastischer Unterton, zumal er auch ein wenig aufmüpfig und frech sein kann, wobei er damit oft nur seine Unsicherheit zu verbergen versucht. Dadurch wird der Schreibstil auch sehr locker und ich habe ihn wirklich gerne gelesen.

Zentrales Thema ist dabei der Klimawandel. Wie gesagt, in einem Teil der Stadt gibt es kein Wasser mehr, dann soll Nicholas bei einer Klimaschutzmission fotografieren. An dieser Stelle möchte ich einfach mal die tiefgehende Recherche der Autorin loben, die auch technische Details und tatsächlich existente Forschung leicht erklärt einwebt und so ganz nebenbei noch hochinteressante, teilweise aber leider auch bedrückende Informationen zu diesem wichtigen Thema vermittelt.
Ihren eigenen Angaben zufolge könnte das Geschehen sich theoretisch durchaus so abspielen, da es entsprechende Forschungen tatsächlich gibt, was dem Buch nochmal eine realistische Note verleiht.

Fazit: Spannender, authentischer und realistischer Jugendbuchthriller, der sich dem wichtigen und hier sehr gut recherchierten Thema des Klimawandels widmet, mit einem sehr vielschichtigen, lebensechten Protagonisten mit Ecken und Kanten, dessen Emotionen sehr ausdrucksstark und nachempfindbar vermittelt werden!