Rezension

Rebellischer Tollpatsch trifft auf griesgrämigen Magier - ein guter Fantasy-Einzelband!

Das dunkle Herz des Waldes - Naomi Novik

Das dunkle Herz des Waldes
von Naomi Novik

Bewertet mit 4 Sternen

Worum geht es?

Ein mächtiger Zauberer beschützt Agnieszkas Tal vor dem Dunklen Wald, der die Menschen, die hineingehen, mit einem Übel infiziert. Immer wieder kommen die bösartigen, unheimlichen Kreaturen aber auch aus dem Wald heraus und greifen die Dörfer des Tals an, was nur der Zauberer, der von allen der „Drache“ genannt wird, zu verhindern weiß. Im Gegenzug für seinen Schutz bezahlen die Bewohner des Tals ihn mit Vorräten – und alle zehn Jahre mit einem Mädchen aus dem Dorf, das nach besagten zehn Jahren wieder freikommt. In diesem Jahr wird gemunkelt, dass es Kasia sein wird, Agnieszkas beste Freundin. Sie ist wunderschön, klug und tapfer und sie wurde jahrelang darauf vorbereitet, die Auserwählte des Drachen zu sein. Als der Drache in das Dorf kommt, wählt er aber nicht Kasia, sondern Agnieszka.

Meine Meinung

Mit Lesen des Klappentextes war für mich sofort klar, dass ich das Buch unbedingt lesen möchte. Ein mysteriöser Zauberer, Magie, ein Dunkler Wald und ein Mädchen, das aus irgendeinem Grund von besagtem Zauberer ausgewählt wird, um mit ihm in seinem Turm zu leben – das klang für mich nach einer vielversprechenden Fantasy-Geschichte. Noch dazu ist es ein Einzelband, was ich zwischen den zahlreichen Reihen manchmal sehr erfrischend finde. Langer Rede kurzer Sinn: Mir hat »Das dunkle Herz des Waldes« sehr gut gefallen, sogar noch besser, als ich es erwartet habe, weil mich das Buch regelmäßig zu überraschen wusste.

Der Schreibstil ist angenehm und sehr bildlich. Gelegentlich häufen sich die detaillierten Umgebungsbeschreibungen, die ich nicht immer in der Genauigkeit gebraucht hätte, aber grundsätzlich ist diese Liebe fürs Detail bereichernd für die Geschichte. Dies gilt vor allem für die Magie, die sehr eindrucksvoll beschrieben wird, nicht nur äußerlich in ihrem Wirken, sondern auch die inneren Vorgänge und Gefühle werden dem Leser nicht vorenthalten. Wie in Harry Potter müssen hier Zaubersprüche gesprochen werden, manchmal aber auch – anders als bei der beliebten Reihe von J. K. Rowling – sehr lange Sprüche, bei denen noch dazu ein paar Tricks angewandt werden müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten. Das hat mir unglaublich imponiert, weil es auch mal etwas völlig anderes war.

Die Protagonistin Agnieszka war mir in ihrer Tollpatschigkeit sehr sympathisch. Anfangs ist sie verständlicherweise noch zurückhaltend und eingeschüchtert, weil sie nie darauf vorbereitet wurde, von dem Drachen ausgewählt zu werden, und sich deshalb auch nicht darauf einstellen konnte. Aber mit der Zeit rebelliert sie immer mehr und zeigt, wie tapfer und wagemutig sie ist, womit sie auch dem Drachen zu imponieren scheint. Ihre Rolle in dem Geschehen, ihre Entwicklung, was sie alles Neues entdeckt und dem Drachen an Erkenntnissen bringt – das alles hat das Buch so besonders gemacht.

Der Drache ist als männlicher Gegenpart extrem spannend. Er ist mysteriös, griesgrämig und die meiste Zeit wütend, ohne dass man den Grund dafür weiß. Klingt eigentlich unausstehlich, macht aber gerade das Zusammenspiel zwischen ihm und Agnieszka so amüsant. Er ist wütend und tadelt sie, sie ist aufmüpfig und fordert das heraus. Ich mochte den Drachen sehr: Einerseits bleibt er seinem grummeligen Wesen, das Agnieszka immer wieder beleidigt, bis zuletzt treu, andererseits gibt es dann wenige Momente, in denen er auch anders kann. Die Rarität derer macht ihn so interessant.

Obwohl es hier und da ein paar Stellen gibt, die sich etwas ziehen und das Lesen etwas träge machen, überwiegen letztendlich die interessanten und spannenden Stellen. Vor allem gegen Ende wird die Spannung durch einige unerwartete Twists immer wieder in die Höhe getrieben, die Handlung ist zu komplex, um irgendetwas vorherzusehen, und die Autorin macht es sich ganz und gar nicht leicht, indem sie den leichtesten Ausweg findet – im Gegenteil: Die Hindernisse häufen sich und Wendungen kommen um die Ecke, um neue Probleme aufzuwerfen. Darin eingewoben ist auch eine kleine Liebesgeschichte, die sich sehr im Hintergrund hält und dadurch zusätzlich Spannung aufbaut.

Am Ende gibt es eine Art Epilog, der nicht als solcher gekennzeichnet ist, in dem aber schon ein bisschen Zeit vergangen ist. Die Lösung auf den letzten Seiten hat mir gut gefallen und für mich den perfekten Abschluss gebracht – mich lässt das Buch glücklich und zufrieden zurück.

Fazit

Ein sehr guter Fantasy-Einzelband, der mit einer eigenwilligen, originellen Magie, einer eindrucksvollen, tapferen Protagonistin und einer spannungsreichen Handlung aufwartet, die sich nicht vorhersehen lässt. Gelegentlich gibt es ein paar Passagen, die sich etwas ziehen, grundsätzlich ist das Buch jedoch sehr fesselnd. Es wusste mich zu überzeugen – 4 Sterne!