Rezension

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Recht gelungener zeitgeschichtlicher Roman mit Schwächen

Deutsches Haus - Annette Hess

Deutsches Haus
von Annette Hess

Der Roman behandelt als Thema den Ausschwitz-Prozess 1963 in Frankfurt. Die junge Eva Bruhns ist Dolmetscherin für Polnisch und so kommt es, dass man Eva eines Abends ganz plötzlich und unerwartet zum Dolmetschen anfordert. Eva hatte bisher keine Ahnung von den anstehenden Prozess gehabt. Zu Hause wurde nicht darüber gesprochen, ohnehin wird zu Hause nicht über die Zeit des Krieges gesprochen. Es geht hauptsächlich um die Familie und um Evas Freund Jürgen, der aus einer anderen Bürgerschicht stammt. Seinem Vater gehört ein großes und bekanntes Versandunternehmen. Familie Bruhns ist aufgeregt, als sie Evas Freund zum ersten Mal kennenlernt. Wird diese Verbindung bestehen bleiben und wird Jürgens Familie eine "einfachere" Partie für ihren Sohn annehmen? Das sind die Sorgen, die die Bruhns haben.

Auch Evas Gedanken kreisen meist um ihre Beziehung zu Jürgen. Wird er sich mit ihr endlich verloben, sie seinen Eltern vorstellen? Und auch sonst ist Jürgen so zögerlich, fast zurückhaltend. Eva zweifelt manchmal an sich und ihrer Liebe zu Jürgen. Als man ihr eine feste Stelle als Dolmetscherin im Prozess anbietet, erfährt nun Eva erstmals von den Greueltaten, die in Ausschwitz stattfanden. Das ganze Ausmaß kann sie noch nicht erfassen, schließlich war sie nur einmal bei der Übersetzung einer Zeugenaussage dabei. Doch als Jürgen und auch ihre Eltern von der neuen Stelle erfahren, reagieren alle seltsam ablehnend und verlangen von Eva, die Stelle nicht anzutreten. Warum? Jürgen möchte nicht, dass seine zunkünftige Frau arbeitet, er will nichts von den Prozessen wissen. Die Eltern reagieren noch seltsamer. Schweigen. Räumen die Zeitung, die über die Prozess-Vorbereitungen berichtet, weg. Auch Evas ältere Schwester blockt ab. Eva ist mehr als irritiert, mit keiner Person kann sie wirklich darüber reden und nimmt daher fast trotzig das Angebot als Prozess-Dolmetscherin an. Erst dort erfährt Eva nach und nach von den unglaublichen Greueltaten, die nun auch für die ganze Öffentlichkeit nicht mehr zu verschweigen sind. Doch Eva kann anfangs noch nicht ahnen, wie sehr ihre eigene Familie auch damit verbunden ist.

Die Bewertung des Buches ist nicht so einfach. Das Thema und die Umsetzung ist in Teilen recht gut gelungen. Die Idee zum Roman ist vortrefflich, doch die Umsetzung konnte mich nicht immer so überzeugen. Es gibt Längen und Passagen im Buch, die zwar gut die Stimmung und das Gefühl der 1960er Jahre nebst Bild von Frau und Familie verdeutlichen, so kann man sich als Leser recht gut in die damalige Zeit hineinversetzen. Die Protagonisten bleiben jedoch bis auf Eva recht schwach gezeichnet. Hier hätte besser vieles nicht in so epischer Breite geschildert werden sollen, sondern dafür mehr Augenmerk auf die Figuren und ihr Innenleben gelegt werden sollen. Auch die Stimmung in der Bevölkerung und ihr Willen zur Aufarbeitung der Vergangenheit kam mir zu kurz und wurde nur oberflächlich angerissen. Einige Details waren zu übertrieben und unglaubwürdig, doch im Großen und Ganzen konnte mich der Roman fesseln und das Hauptthema gut vermitteln.