Rezension

Reget sehr zum nachdenken an

Scythe 1 - Die Hüter des Todes - Neal Shusterman

Scythe 1 - Die Hüter des Todes
von Neal Shusterman

Bewertet mit 5 Sternen

Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so genau, was ich schreiben soll. Das Buch habe ich schon im September gehört und schreibe jetzt endlich die Rezension, weil ich euch das Buch so gerne ans Herz legen möchte. Scythe ist großartig mit einer wirklich tiefgründigen Botschaft dahinter, auf die man sich einlassen kann, aber nicht muss.

Für mich gibt es zwei Wege dieses Hörbuch zu hören. Als spannende Dystopie, die den Hörer sehr gut unterhält oder als spannende Dystopie, die den Hörer sehr gut unterhält und gleichzeitig als Werk, das den Hörer zum Nachdenken anregt. Mich hat es sehr zum Nachdenken angeregt, denn auch heute schon werden wir immer älter. Was wäre, wenn wir wirklich irgendwann nicht mehr sterben müssten, oder vielleicht erst mit 150 oder 200 Jahren? Überbevölkerung macht das Leben auf unserer Erde nicht einfacher. Hätten wir dann auch so etwas, wie die Scythe, die entscheiden, wer weiterleben darf und wer sterben muss? Nachlesen nennt sich diese Art des Tötens. Hört sich gleich etwas netter an, oder?

Richtig gut hat mir gefallen, dass wir mit Citra und Rowan zwei Strömungen der Scythe verfolgen können. Citras Mentorin nimmt ihren Job sehr ernst und findet keinen Gefallen daran, Menschen nachzulesen. Sie weiß, dass die Arbeit getan werden muss und sie tut sie. Ohne dabei Machtgefühle zu verspüren. Sie trifft sich nach der Nachlese mit der Familie des Nachgelesenen zu einem Mahl um ggfls. Fragen zu beantworten. Ich hatte das Gefühl, dass sie, genau wie der erste Mentor von Rowan und Citra, Scythe Faraday, versucht, sich ihre Menschlichkeit zu bewahren.

Rowans Mentor liest Menschen um des Tötens willen nach. Er findet Freude daran und erwartet dies auch von seinen Anhängern. Er veranstaltet richtige Massaker mit Hunderten von Toten. Sehr abstoßend. Rowan selbst ist ein sehr vielschichtiger Charakter, den ich fast etwas mehr mochte, als Citra. Rowan kämpft extrem um seine Menschlichkeit und lässt den Leser daran teilhaben. Ihm wird es wirklich sehr schwer gemacht und ein ums andere Mal ist er nicht weit weg davon, vom rechten Pfad abzuweichen. Für mich hat Rowan die größere Entwicklung durchgemacht.

Insgesamt macht gerade dieses Nachlesen auf zwei verschiedene Arten das Buch so spannend. Immer wieder war ich hin und her gerissen zwischen allen möglichen Gefühlen. Trauer, Wut, Verständnis… Die Nachlese ist zwingend notwendig, da niemand mehr stirbt und die Erde sonst völlig überbevölkert wäre. Einerseits hat man als Leser also Verständnis dafür, dass nachgelesen werden muss. Andererseits kommt immer wieder der Gedanke hoch, dass es einfach nicht richtig ist, dass ein Mensch, auch wenn er Scythe ist, entscheidet, wann ein anderer Mensch sein Leben beenden muss. Eine sehr schwieriger moralischer Konflikt, der hier aufgeworfen wird.

Nicht ganz klar geworden ist mir, was der Thunderhead eigentlich genau ist. Er scheint mir eine Art kollektives Wissen (ein Datenpool) zu sein, der die Herrschaft übernommen hat. Ich bin gespannt, ob wir im nächsten Band noch nähere Einblicke erhalten.

Neal Shusterman besticht durch einen sehr intensiven Schreibstil. Völlig unaufgeregt vermittelt er dem Leser seine Geschichte, trifft dabei aber durch seine Wortwahl und seine bildhafte Schreibweise direkt ins Herz. Durch Einblicke in die Tagebücher der einzelnen Scythe erfahren wir etwas mehr über ihr Seelenleben und sie lassen den Leser sehr nahe an sich heran.

Einen großen Anteil haben die sehr guten Sprecher, allen voran Torsten Michaeli daran, dass das Hörbuch mich so in seinen Bann gezogen hat. Man kann sich der Stimme kaum entziehen und muss immer weiter hören.

Von mir gibt es 5 Sterne für den Auftakt einer Reihe, die sich mit der Frage danach auseinandersetzt, wie man die Überbevölkerung eindämmen kann und welche Voraussetzungen diejenigen erfüllen müssen, die eine solch schwere Aufgabe übertragen bekommen.