Rezension

Regretting Motherhood

Frau im Dunkeln - Elena Ferrante

Frau im Dunkeln
von Elena Ferrante

Bewertet mit 4 Sternen

Schnörkellose und schonungslose Beschreibung einer Frau, für die Mutterschaft vor allem Schuld und Gefängnis bedeutet.

Die Hauptperson dieses kurzen Romans ist Leda, eine 48-jährige Universitätsprofessorin, deren erwachsene Töchter gerade ausgezogen sind. Leda erinnert stark an Elena aus der neapolitanischen Saga, sowohl was ihren Lebenslauf als auch die schonungslose Innenschau und Beschreibung des Charakters angeht. Nach dem Auszug ihrer Kinder stellt Leda fest, dass sie sie nicht vermisst – im Gegenteil, sie fühlt sich befreit und verjüngt. Gleich nutzt sie diese Freiheit, um alleine in den Urlaub zu fahren. Sie verbringt einige Wochen an einem Badeort an der ionischen Küste. Dort beobachtet sie eine neapolitanische Großfamilie, vor allem eine junge Mutter (Nina) mit ihrer kleinen Tochter (Elena). Gleichzeitig fasziniert und abgestoßen, findet Leda sich schnell in einem emotionalen Strudel wieder. Sie projiziert ihre eigene Vergangenheit auf Nina und verzettelt sich zunehmend, nachdem sie Elenas Puppe klaut.

Immer mehr stellt sich heraus, wie stark ihre Beziehung zu ihren Töchtern durch Schuldgefühle geprägt ist. Schon früh hatte sie das Gefühl, diese nicht genug lieben zu können, und fühlt sich eingesperrt in der Mutterrolle. Sie will mehr vom Leben als Hausfrau und Mutter zu sein, und schließlich verlässt sie Mann und Kinder für einige Jahre, in denen sie sich ihrer wissenschaftlichen Karriere widmet.

So richtig wird sie sich diesen Schritt jedoch nie verzeihen. Dabei ist natürlich sie für alle die Böse in dieser Geschichte, nicht etwa ihr Mann, der sich in den ersten Lebensjahren kaum um Frau und Kinder, dafür umso mehr um seine beruflichen Angelegenheiten gekümmert hat und die Töchter als alleinerziehender Vater auch ständig für Monate an die Schwiegermutter abschiebt. Für mich ist das ein mutiges Buch darüber, dass vielleicht nicht jede Frau ihr Glück ausschließlich in der Mutterrolle findet, und wie schwer es für solche Frauen emotional ist, von gängigen Idealen abzuweichen. Umso wichtiger ist es, strukturelle Faktoren wie etwa die Möglichkeit der Kinderbetreuung und Karriere trotz Kind zu reflektieren, was hier leider nicht wirklich geschieht. Schnörkellos und doch atmosphärisch und treffend geschrieben.