Rezension

Regt zum Nachdenken an! ​

Notes on a Nervous Planet - Matt Haig

Notes on a Nervous Planet
von Matt Haig

Bewertet mit 4 Sternen

In „Ziemlich gute Gründe am Leben zu bleiben“ („Reasons to Stay Alive“) hat Matt Haig bereits einen sehr ehrlichen, anschaulichen Bericht seiner eigenen Depression und Angsstörung verfasst. „Notes On a Nervous Planet“ fasst das Thema nun weiter und stellt die Frage: Was, wenn unsere moderne, schnelle, technisch entwickelte Welt die Entwicklung solcher psychischen Störungen begünstigt?

Haig widmet sich vielen interessanten, zweischneidigen Aspekten unseres Jahrhunderts: exzessive Handynutzung, neue Entwicklungen von Schönheitsstandards durch moderne Technik, die Wirkung von immer überall verfügbaren Nachrichten und dem Fokus auf das Schlechte, das Phänomen, dass wir mehr Zeit haben und uns dennoch so fühlen, als hätten wir keine.
Für all diese Phänomene hat er viele Zahlen und Fakten zur Hand und macht sich, besonders auf Basis seiner eigenen Erfahrungen, Gedanken darüber, wie man in unseren modernen Zeiten leben kann, ohne davon überfordert zu sein und krank zu werden.

In einigen dieser Punkte und ihren Einflüssen habe ich mich und mein Leben durchaus wiedererkannt. Zum Teil habe ich mich von Haig und seinen Erfahrungen verstanden gefühlt, wodurch mich seine Gedanken sehr zum Nachdenken über meinen eigenen Lebensstil angeregt haben. Er findet für viele Dinge auch sehr treffende, eindringliche Worte, die mich sehr beeindruckt haben.

Es ist aber auch wichtig anzumerken, dass es sich auch bei diesem Buch wieder nicht um ein wissenschaftliches Sachbuch sondern vor allem um persönliche Gedanken des Autors handelt. Er hat einige Zahlen parat, greift jedoch kaum auf neurobiologische und psychologische Erkenntnisse zurück, die seine Fragen beantworten und seine Thesen stützen würden. Er schreibt, er frage sich, wie Gehirne in der heutigen Zeit funktionieren, wirft jedoch hauptsächlich mit Zahlen über Technik um sich, ohne großartige Erkenntnisse über deren Zusammenhang mit Hirnfunktionen zu liefern.
Das Buch taugt also eher als Denkanstoß als als Informationsquelle.

Der Titel „Notizen“ ist ebenfalls durchaus ernstzunehmen. Das Buch ist zwar in Kapitel aufgeteilt, die sich einem bestimmten Thema widmen, doch nicht immer ist dieses Thema klar erkennbar und den Kapiteln fehlt es häufig an einer klaren Struktur - Haig zufolge mit Absicht. Es handelt sich eher um Notizen als klare, informative Aussagen.
Dadurch habe ich mich beim Lesen häufig gefragt, was genau Haig mit dem Buch bezwecken will und ob er eine klare Aussage im Sinn hatte.

Haigs Ehrlichkeit über seine eigene Erkrankung ist wirklich interessant und macht seine Ausführungen deutlich glaubwürdiger, da man versteht, wieso er sich für das Thema interessiert und wie er seine Erfahrungen gesammelt hat. Teilweise wurden seine privaten Erfahrungen aber auch zu spezifisch (z.B. wenn es um seine persönlichen Ängste ging) und dadurch für das große Ganze Thema nicht mehr interessant waren.

Zwischenzeitlich driftet Haig für meinen Geschmack auch zu sehr ins Negative ab, wenn er - obwohl er betont, Technik habe gute und schlechte Seiten - lange Zeit bestimmte Entwicklungen rein negativ betrachtet.
Besonders scheinen ihn Roboter und künstliche Intelligenz zu beschäftigen, die potentiell einmal menschliche Jobs übernehmen könnten. Er erwähnt dieses Thema so häufig, dass es schon ein wenig auffällig wird.

Fazit

Matt Haigs zweites Buch über psychische Gesundheit widmet sich den technischen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts und ihren Einfluss auf die Psyche. Dabei äußert er viele kluge, gut formulierte Gedanken und regt zum Nachdenken an. An wissenschaftlichen Erkenntnissen der (Neuro-)Psychologie fehlt es jedoch.