Rezension

Reicht leider nicht ganz an den ersten Band heran

Dustlands 02 - Der Herzstein - Moira Young

Dustlands - Der Herzstein
von Moira Young

*Worum geht's?*
Während Saba, Lugh, Emmi und Tommo endlich auf den Weg nach Westen sind, hat es Jack in eine andere Richtung verschlagen. Er hat noch eine Aufgabe zu erfüllen, die ihm am Herzen liegt. Aber Saba ist sich sicher: Sie wird Jack wiedersehen. Er hat ihr fest versprochen, sie zu suchen, sobald er sein Gewissen bereinigt hat. Als Saba und ihre Familie durch das gefährliche Ödland reisen, erfahren sie jedoch, dass sich die Tonton neu versammelt haben. Sie folgen nun dem geheimnisvollen „Wegbereiter“, der das Land neu aufbauen will. Und sie haben Jack auf ihrer Seite. Saba traut ihren Ohren nicht: Hat Jack sie wirklich verraten? Saba muss um jeden Preis herausfinden, was für ein Spiel hier gespielt wird. Ohne Rücksicht auf Lugh und Emmi macht sich Saba auf die Suche nach Jack – und läuft dem Wegbereiter in die Arme, der sich als alter Bekannter entpuppt…

*Meine Meinung:*
„Der Herzstein“, der lang ersehnte zweite Band der „Dustlands“-Trilogie, setzt dort ein, wo „Die Entführung“ ihren Abschluss gefunden hat: Saba, Lugh und Emmi sind gemeinsam mit Tommo endlich auf den Weg nach Westen, um sich dort ein neues Leben aufzubauen, während Jack sich von der Gruppe getrennt hat, um einen anderen Weg einzuschlagen, da er noch eine Aufgabe zu erledigen hat. Was ihm so sehr auf den Herzen gelegen hat, dass er sogar Saba dafür verlassen hat, erfährt man als Leser gleich zu Beginn des Romans. Denn „Der Herzstein“ beginnt mit einem ausführlichen Kapitel aus Jacks Perspektive, ehe Moira Young sich wieder voll und ganz auf Protagonistin Saba konzentriert. Auf eine kleine Wiedereinstiegs-Hilfe für ihre Leser, wie zum Beispiel Rückblenden oder Erinnerungen von Saba, verzichtet Young weitestgehend. Daher kann ich jedem Leser nur empfehlen, sich vor dem Lesen die Handlung des ersten Bandes noch einmal zu Gemüte zu führen.

Saba ist nicht mehr die, die sie einmal war. Ihr Ruf als Todesengel eilt ihr noch immer Voraus, doch in ihrem Inneren ist kaum noch etwas von der unbezähmbaren und eiskalten Kämpferin zu finden. Hat man Saba im ersten Band der Trilogie noch als sehr kratzbürstige und eigenwillige Protagonistin kennengelernt, begleitet man in „Der Herzstein“ nur noch einen Schatten ihrer selbst. Die Schwere des Vergangenen, vor allem aber der Pfeil im Herzen ihrer Freundin Epona, der von Saba selbst abgeschossen wurde, lastet auf ihr und macht es ihr unmöglich, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Genau diese traumatisierte Seite an Saba ist es jedoch, die sie als Protagonistin noch viel lebendiger und echter erscheinen lässt. Sie auf ihrem Weg zurück zu sich selbst zu begleiten und neue Facetten an ihr zu entdecken, hat Saba für Saba für mich zu einer noch eindrucksvolleren und besonderen Protagonistin werden lassen.

Aber Saba ist nicht die einzige, die sich extrem verändert hat. Während die meisten Charaktere unter den vergangenen Geschehnissen zu leiden haben, gar mit schrecklichen Traumata zu kämpfen haben, gibt es auch einige wenige Figuren, die an den grausigen Ereignissen gewachsen sind. Zu den besten Beispielen für beide Fälle zählen für mich eindeutig Sabas Geschwister Lugh und Emmi. Lugh, der nicht darüber sprechen will, was ihm nach seiner Entführung zugestoßen ist, ist zu einem sehr verschlossenen und distanzierten Charakter geworden, den man nicht recht einzuschätzen weiß. Emmi dagegen ist zu einer toughen, mutigen und willensstarken Kämpferin geworden, die sich von nichts und niemandem unterkriegen lässt. Moira Young hat die Psyche ihrer Charaktere ganz unterschiedliche Wege einschlagen lassen, ohne dass auch nur einer von ihnen an Authentizität verliert.

Durch den starken Fokus auf die Charaktere verliert die Handlung in „Der Herzstein“ leider etwas an Bedeutung. Moira Young legt noch immer viel Wert auf Spannung und Aufregung, auf mitreißende Kämpfe und atmosphärische Handlungsstränge, verliert dabei allerdings den roten Faden der „Dustlands“-Trilogie etwas aus den Augen. Saba und ihre Gefährten sind an vielen unterschiedlichen Orten unterwegs und erleben viele Abenteuer, ohne dass die Geschichte an sich wirklich voranzukommen scheint. Erst die überraschenden Wendungen, auf die man ab der zweiten Hälfte des Romans trifft, bringen neue Erkenntnisse, die auf einen vielversprechenden Abschlussband hoffen lassen. Im Großen und Ganzen ist „Der Herzstein“ für mich trotz der vielen Nebenhandlungen ein fesselnder Pageturner gewesen, der mir tolle Lesestunden beschert hat, aber ein gewisses „Lückenfüller-Gefühl“ lässt sich diesem Band leider nicht absprechen.

Was mich leider sehr enttäuscht hat, ist der Fakt, dass der außergewöhnliche Stil verschwunden ist, der den Auftakt der „Dustlands“-Trilogie so seltsam und so besonders zugleich gestaltet hat. Zwar sind in „Der Herzstein“ noch immer Spuren von ihm zu finden – Saba denkt und spricht noch immer sehr kurz und knapp und verschluckt in ihrer Umgangssprache so manchen Buchstaben -, aber insgesamt ist dieser Band sehr viel „leserlicher“ verfasst. So werden zum Beispiel die wörtlichen Reden durch Anführungszeichen gekennzeichnet, was in „Die Entführung“ konsequent unterlassen wurde. „Der Herzstein“ lässt sich durch diese Änderungen sehr viel schneller und flüssiger lesen, während sich der Einstieg in den ersten Band zuvor sehr schwierig gestaltet hat. Die Leser, die mit dem seltsamen Stil in „Die Entführung“ ihre Probleme hatten, sollten der Reihe mit „Der Herzstein“ daher auf jeden Fall eine weitere Chance geben. Für mich war dieser Stil ein tolles Markenzeichen der Trilogie, die sie von der Masse abgehoben hat, und bin deshalb trotz der Vorteile leider ein wenig enttäuscht.

*Fazit:*
„Der Herzstein“ von Moira Young ist eine solide Fortsetzung der „Dustlands“-Trilogie, der neue Einblicke in die einzelnen Charaktere ermöglicht. Moira Young stellt nicht nur Saba, sondern auch ihre Familie und Freunde, ihre Begleiter und Feinde vor die Konsequenzen der Vergangenheit – und nicht jeder ist den schweren Lasten gewachsen, die nun auf seinen Schultern weilen. Vor allem Protagonistin Saba hat so sehr mit Traumata zu kämpfen, dass sie nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Die Charaktere näher kennenzulernen, die Abgründe ihrer Psyche ergründen zu dürfen, hat mich fasziniert und den Mittelband der „Dustlands“-Trilogie zu einem fesselnden Pageturner für mich werden lassen. Leider gerät die Handlung an sich allerdings so manches Mal ins Stocken. Nach der letzten Seite muss man sich eingestehen, dass man zwar viel erfahren hat, die Geschichte allerdings kaum vorangekommen ist. Für „Dustlands – Der Herzstein“ vergebe ich deshalb schwache 4 Lurche.