Rezension

Reihenauftakt für Codeknacker mit mystischem Hintergrund

Code: Orestes - Maria Engstrand

Code: Orestes
von Maria Engstrand

Bewertet mit 3.5 Sternen

Es geht um die Zukunft. Um Leben und Tod. Mit diesen Worten drückt ein seltsamer Mann der 12jährigen Malin einen Brief in die Hand und erklärt ihr, sie müsse den Brief in genau 100 Tagen dem Kind übergeben, das ins Nachbarhaus einzieht. Und tatsächlich: 100 Tage später zieht Orestes mit seiner Mutter Mona und der kleinen Schwester Elektra in die Siedlung. Malin überreicht ihm den Brief. Aber Orestes – das Mathegenie – ist von Malins Geschichte zunächst wenig begeistert. Von mysteriösem Hokuspokus hält er rein gar nichts. Denn den hat er bei seiner alternativ lebenden Mutter schon mehr als genug.

„Code Orestes“ ist ein abenteuerliches Buch und Reihenauftakt für Kinder, in dem es viel um das Entschlüsseln von Codes geht. Aber auch um Gegensätze: Technik und Natur. (Aber-)Glauben und Wissenschaft. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die Geschichte und hat dabei einen leicht magischen, mystischen Touch.

Sehr gut gefallen hat mir die Natürlichkeit, mit der die skandinavische Autorin ihre Protagonisten zeichnet: Alle haben so ihre kleinen und größeren Probleme. Malins Mutter ist technikaffin bis zum geht-nicht-mehr. Aber total überbesorgt. Zum Teil zurecht: Denn Malin war vor kurzem in einen „Internetzwischenfall“ verwickelt, von dem die LeserInnen erst spät im Buch mehr erfahren und Malins Papa erholt sich von einem Herzinfarkt.

Orestes ist immer ein bisschen steif und geschniegelt und möchte sich bewusst von seiner Mutter abgrenzen, die auf Heilungsgesang, Reinkarnationstherapie und Horoskope setzt. Oder wie Orestes sagt: Mama glaubt an alles, außer an Schmerztabletten.

Solche Kontraste machen die Geschichte erfrischend realistisch und oft sehr amüsant, ohne dass die Figuren überzeichnet wirken würden. Der Fokus liegt jedoch auf einer Art Schnitzeljagd, bei der die Kinder Hinweisen nachgehen, um ein Rätsel zu lösen, das geheimnisvolle Erdströme betrifft.

Die Codes, die Malin und Orestes knacken müssen, sind jedoch wirklich schwer. Miträtseln dürfte eher schwierig sein. Wohl aber lernt man einiges über Kryptographie. Verschlüsselungen wie die Vigenère-Chiffre etwa werden anschaulich anhand von Zeichnungen und Tabellen erklärt. Selbst für mich – als Erwachsene – war das interessant.

„Code Orestes“ unterhält damit größtenteils ganz wunderbar, lässt gegen Ende aber leider etwas nach: Denn weder werden die Hintergründe um die mysteriösen Erdströme so wirklich klar, noch gelingt es der Autorin, eine überzeugende Antagonistenseite aufzustellen. Ich empfand das letzte Drittel als leicht bizarr und hopplahopp zusammengewoben. Meinem Empfinden nach hätte besonders Malins „Internetzwischenfall“ – eine ernste Angelegenheit von Manipulation im Netz – mehr Augenmerk verdient. Dieser Teil der Geschichte wirkt zugleich bedrohlich, irgendwie verschroben und überzogen. Auf jeden Fall aber noch nicht gründlich genug aufgearbeitet.

Da „Code Orestes“ erst der erste von drei Teilen ist, ist jedoch noch nicht aller Tage Abend. Der zweite Band wird zeigen, wie gut durchdacht die Geschichte ist und ob es Maria Engstrand gelingt, alle Elemente stimmig zusammenzubringen. Ich bin gespannt! Einstweilen: 3,5 Pkt.