Rezension

Reihenbeginn mit Schwächen...

Auris - Vincent Kliesch

Auris
von Vincent Kliesch

Bewertet mit 3 Sternen

ACHTUNG: Diese Rezension bezieht sich auf das gleichnamige und ungekürzte Hörspiel, das hier leider nicht gelistet ist!

Die kleinste Abweichung im Klang einer Stimme genügt dem berühmten forensischen Phonetiker Matthias Hegel, um Wahrheit von Lüge zu unterscheiden. Zahlreiche Kriminelle konnten mit seiner Hilfe bereits überführt werden. Hat der Berliner Forensiker nun selbst gelogen? Allzu freimütig scheint sein Geständnis, eine Obdachlose in einem heftigen Streit ermordet zu haben. Die True-Crime-Podcasterin Jula Ansorge, darauf spezialisiert, unschuldig Verurteilte zu rehabilitieren, will unbedingt die Wahrheit herausfinden. Doch als sie zu tief in Hegels Fall gräbt, bringt sie nicht nur sich selbst in größte Gefahr…

Die Idee, einen forensischen Phonetiker in den Mittelpunkt eines Thrillers zu rücken, hat mich ehrlich gesagt fasziniert - denn dieser Bereich der Forensik spielt üblicherweise allenfalls eine Rolle am Rande von Ermittlungen. Doch da haben wir gleich das erste Problem: Matthias Hegel mit seinem absoluten Gehör wird im Verlauf zwar immer wieder kurz eingeblendet, bleibt jedoch auf eine Nebenrolle beschränkt, da er die meiste Zeit der Handlung im Gefängnis sitzt. Nur gleich zu Beginn des Thrillers kann er sein wirkliches Können demonstrieren. Das war für mich in jedem Fall eine Enttäuschung.

Der eigentliche Hauptcharakter ist die junge True-Crime-Podcasterin Jula Ansorge, die inzwischen eine eigene kleine Fan-Gemeinde an Zuhörern hat. Ihr erster Fall war ein sehr persönlicher, da er ihren Bruder Moritz betraf, der sich in Argentinien nach seiner Verhaftung eines schweren Verbrechens schuldig bekannt und anschließend in seiner Zelle umgebracht haben soll. Doch Jula glaubt nicht an seine Schuld. Seither verbeißt sie sich in vermutliche Justizirrtümer - und auch im Fall Matthias Hegel vermutet sie einen solchen. Doch weshalb sollte er freiwillig ins Gefängnis gehen, wenn er doch unschuldig ist?

Jula ist eine sehr problembelastete junge Frau, die durch die traumatischen Erlebnisse in Argentinien gezeichnet ist. Das wichtigste im Leben scheint ihr ihre Unabhängigkeit zu sein - und sollte jemand ihr zu nahe kommen, beendet sie eher den Kontakt als dies zuzulassen. Sie will sich alleine in allem beweisen, nimmt Hilfe nur widerwillig an und neigt auch zu gefährlichen Alleingängen.  Der Polizei vertraut sie gar nicht mehr, und nicht nur deshalb gerät letztlich mehr als ein Leben in Gefahr.

Als Sebastian Fitzek auf die Idee zu der Geschichte kam, dachte er spontan nicht an ein Buch, sondern an ein Hörspiel. Durch die Kooperation mit Vincent Kliesch (dieser ist der tatsächliche Verfasser von Roman und Hörspiel, Fitzek hat jedoch mit daran gefeilt) wurde letztlich beides in Angriff genommen. Erstaunlicherweise unterscheidet sich das (ungekürzte) Hörbuch inhaltlich doch in einigen Details vom Roman, was ich nicht wirklich nachvollziehen kann.

Sowohl von Sebastian Fitzek als auch von Vincent Kliesch habe ich schon einiges gelesen - von Kliesch sogar alle bislang erschienenen fünf Thriller. Wertungen von 4 und mehr Sternen waren da immer drin. Obgleich beiden Autoren e in flüssiger Schreibstil, spannende Wendungen und kurz gehaltene Kapitel zueigen sind, konnte mich dieser Thriller leider nicht recht überzeugen. Vor allem gegen Ende empfand ich die Ereignisse und Wendungen wie mit der Holzaxt skizziert, wenig elegant - und vor allem: offen gehalten.

Erst am Schluss begriff ich, dass dieses Buch der Beginn einer neuen Reihe um Jula Ansorge und die forensische Phonetik sein soll. Dieser Eindruck drängte sich zwangsläufig auf, weil hier schlussendlich gar nichts klar ist und die Antworten wohl frühestens im nächsten Band gegeben werden - eine Taktik, mit der ich mich nicht anfreunden kann. Bei der Printausgabe gibt es dann auch einen Hinweis auf das Buch als Reihenbeginn, was hier bei der Hörspielausgabe leider fehlt.

Die Gestaltung als Hörspiel ist gewohnt professionell (exklusive Audible-Ausgabe von 6 Stunden und 42 Minuten), doch während ich die meisten Sprecher passend besetzt fand, empfand ich die Sprecherin der Jula Ansorge (Svenja Jung) weniger ideal. Deren Stimme nervte mich - ebenso wie der Charakter selbst - oft genug: häufig schrill und überdreht, oftmals kreischend bis hin zu hysterisch. Während um Jula herum alle meist recht ruhig und besonnen reden und agieren, wirkte die junge Frau selbst dagegen  meist wie ein trotziges Kind, das mit dem Kopf durch die Wand will.

Alles in allem also ein Reihenbeginn mit Schwächen und mit einem ärgerlich offenen Ende. Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass ich diese Reihe weiter verfolgen werde...

© Parden