Rezension

Reise durch ein Leben

Reise durch ein fremdes Land -

Reise durch ein fremdes Land
von David Park

Bewertet mit 5 Sternen

Einige Tage kurz vor Weihnachten macht Tom sich auf den Weg quer durch Großbritannien, um seinen Sohn Luke abzuholen, der für sein Studium fortgezogen ist. Da er nun aber krank ist und wetterbedingt auch keine Flüge gehen, nimmt Tom die weite Reise auf sich, damit sein Sohn die Feiertage nicht alleine verbringen muss. Während er durch die verschneite Landschaft fährt schweifen seine Gedanken immer wieder ab, Leitfaden sind dabei die Bilder, die er im Laufe seines Lebens als Photograph geschossen hat. Sie erinnern ihn an den Anfang seiner Beziehung, an zahlreiche Begegnungen und an seine Kinder Lilly und Luke. Und vor allem auch an seinen ältesten Sohn Daniel, den er vor langer Zeit verloren hat.

Anfangs hat mich das Buch gleich in seinen Bann gezogen. Der Schreibstil ist sehr atmosphärisch, die verschneite Landschaft wird gut greifbar, und eine lange, einsame Autofahrt verspricht viel Raum für interessante Gedanken. So war es auch hier, denn während Tom auf dem Weg zu Luke ist, erzählt er nach und nach die gesamte Lebensgeschichte Daniels nach. Erst verhalten, dann immer hypnoider. Beinahe tranceartig scheint er in seinen Erinnerungen, seiner Schuld gefangen, wie auch der Schnee um ihn herum alles abzudämpfen scheint, während Vergangenheit und Gegenwart miteinander verschmelzen.

Die Beschreibung der Landschaft, die unter einer dicken Schneeschicht begraben liegt, vereiste Straßen, die ständige Gefahr, ins Schleudern zu geraten oder auf der weiten Strecke irgendwo versehentlich falsch abzubiegen, während er auf dem Weg zu seinem Sohn ist. Die ganze Metaphorik dahinter erschließt sich erst im Laufe des Buches, denn letztendlich ist die Reise Toms eine Reise durchs Leben, eine einzigartige und zugleich doch eine ganz typische. Wir laufen ständig Gefahr, uns irgendwie zu verlaufen, die falsche Abzweigung zu nehmen, zwischendrin begegnen wir immer wieder Menschen, die unseren Weg prägen - auf Toms Autofahrt vor allem eine ältere Frau und die Fahrerin eines Unfallwagens -, doch den Weg in seiner Ganzheit können nur wir allein bestreiten. Und für Tom ist das nicht nur der Weg zu Luke, den er nach Hause holen will, sondern auch der zu Daniel, den er um Verzeihung bitten möchte, den er auch nach all der Zeit noch nicht loslassen konnte.

Fazit: Ein atmosphärischer, bildgewaltiger und intensiver Roman über Trauer, Schuld und die Macht der Vergangenheit, der mir sehr gut gefallen hat und den ich gerne weiterempfehle!