Rezension

Reise in eine grausige Zeit

1793 - Niklas Natt Och Dag

1793
von Niklas Natt och Dag

Bewertet mit 5 Sternen

Europa im ausgehenden 18. Jahrhundert: Künstler, Schriftsteller und Philosophen läuten mit Ihren Gedankengebäuden die Zeit der Moderne ein. Die Saat der Aufklärung keimt in vielen Köpfen und trägt mit der französischen Revolution 1789 grausame Blüten. Menschen wollen nicht mehr hinnehmen, dass nur einige Wenige über die Massen herrschen und sich an Ihnen bereichern dürfen.
In diese Zeit hinein legt der schwedische Schriftsteller Niklas Natt och Dag seinen historischen Roman 1793, der zugleich ein meisterhafter Krimi ist. 
Auch in Stockholm greift die Verelendung der Massen genauso um sich, wie im Übrigen Europa auch. Und auch hier bringen Monster nur wieder Monster hervor. Den Menschen geht es nach Kriegen und Missernten so schlecht wie nie. Jeder ist sich in der nach Verwesung stinkenden Stadt der Nächste, denn ein funktionierendes Rechtssystem gibt es nicht. Wer seinem Nachbarn nicht genehm ist, konnte schnell im sogenannten Spinnhaus landen, wo die Ausbeutung unter dem moralischen Deckmantel der Läuterung auf die Spitze getrieben wurde. In diesen Kontext legt der mit dem Schwedischen Krimipreis ausgezeichnete Autor seine Handlung. Als der kriegstraumatisierte Häscher Jean Michael Cardell die verstümmelte Leiche eines jungen Mannes aus der Stadtkloake zieht, scheint dies erstmal nichts Ungewöhnliches zu sein. Am liebsten würde "Mikkel" Cardell, nichts mit dem rätselhaften Fall zu tun haben wollen. Doch gemeinsam mit dem genialen Juristen Cecil Winge folgt er den Spuren der Leiche und entblättert das Schicksal der Menschen, die die Wege des Mannes gekreuzt haben. 
Die ersten Kapitel waren in Ihrer Brutalität für mich eine Zumutung: Fast konnte ich beim Lesen den Gestank der Stockholmer Gassen riechen und die heruntergekommenen Gestalten vor mir sehen. Hier ist nichts Schönes zu finden. Doch genau dadurch entfaltet sich die Sogwirkung des Buches. In der Hoffnung darauf, dass am Ende das Gute siegen möge, habe ich mich durch die knapp 500 Seiten gelesen. Doch Stockholm ist nicht Hollywood und in der Welt von 1793 gibt es nur Grautöne. Am Ende gibt es nur wenig Trost: Die Hoffnung auf ein baldiges neues Werk von Niklas Natt och Dag.