Rezension

Reise mit einem Linienbus

Ans Meer
von René Freund

Bewertet mit 5 Sternen

Anton fährt schon viele Jahre die Schulkinder, Jugendlichen und Erwachsene von den umliegenden Dörfern in die nächste größere Stadt. Manchmal wirkt Antons eintönig, weil nicht viel Neues passiert, und am manchen Tagen liebt er wiederum seinen Beruf mit dem Lärm der Kinder, Ritualen und Regeln. Zu Hause wartet seine anstrengende Mutter, die ihn ständig kontrolliert. Und dann wohnt nebenan die Frau, die er seit längerem beobachtet, weil ihr Wesen seine Neugier geweckt hat. Aber wer ist der rauchende Mann auf dem Balkon? Diese Frage stellt sich Anton häufig. Nichtsdestotrotz scheint an einem Tag in Antons Leben eine Wende zu bringen. Eine Mutter steht mit ihrer Tochter an der Bushaltestelle mit dem Wunsch ans Meer fahren zu wollen. Anton muss ernsthaft überlegen, ob er diesen Wunsch erfüllen soll. Nach einigem Abwegen und Hin und herüberlegen beschließt Anton der Mutter Carla und ihrer Tochter den Wunsch zu erfüllen. Ein Duzend mitfahrende Kinder, Jugendliche und Erwachsene begeben sich auf eine abenteuerliche Reise Richtung Süden.

René Freund konnte mich trotz der Kürze des Romans überzeugen. Denn eigentlich ist diese Geschichte recht simpel. Ein Bus, ein Busfahrer, eine gute Bekannte des Busfahrers, die er seit Ewigzeiten verehrt sowie eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen bilden dieses Konstrukt einer Busreise. Eine dement kranke Seniorin, ein Geschwisterpaar, Mutter und Tochter sowie eine Teenagerin erzählen im Laufe der Geschichte ihr Leben und ihre Erfahrungen. Im Hintergrund der Busreise spielen Doris, die Nachbarin, für die Anton Gefühle entwickelt, und Antons Mutter Mechthild ebenso eine Rolle. Beide bringen die Realität in die Geschichte im Gegensatz zu den Mitreisenden, die von einem Abenteuer träumen. Einmal im Leben ausbrechen. Der Autor lässt jede persönliche Geschichte der Protagonisten als Nebenschauplätze einfließen. Das Äußerliche der Protagonistin ist nebensächlich, nur im Ganzen stellt man fest, dass es Menschen mit Schwächen, Macken und Emotionen sind. Menschen, die her negative Erfahrungen in der letzten Zeit erlebt haben. Und somit stellt jeder Protagonist eine Geschichte dar, die zum Nachdenken anregt. Es kommt nicht immer auf die äußeren Werte an, sondern auf die inneren Werte eines Menschen.

Zuvor hatte ich vor wenigen Jahren die Biografie mit dem Titel „Mein Vater, der Deserteur“ über den Vater des Autors gelesen, weil mich damals das Thema interessierte. Und das Buch fand ich sehr gut. Deshalb wollte ich nun den aktuellen Roman von René Freund lesen, um auch seine fiktiven Geschichten kennenzulernen. Ich wurde nicht enttäuscht. Diese  Geschichte hinterlässt Eindrücke von kleinen Tiefgängen der Menschlichkeit und regt zum Nachdenken über den Sinn des Lebens an.