Rezension

Reisetagebuch

Elizabeth auf Rügen - Elizabeth von Arnim

Elizabeth auf Rügen
von Elizabeth von Arnim

Bewertet mit 5 Sternen

„Als ich dieses Buch begann, wollte ich einen nützlichen Führer durch Rügen schreiben, der die schönsten Gegenden und die am wenigsten unbequemen Gasthäuser jedem Reisenden vor Augen führt. Mit jeder Seite, die ich schreibe, wird mir klarer, daß ich diese Absicht nicht ausführen kann.“ (Seite 140)

Aus diesem Tagebuch, das 1904 das erste Mal veröffentlicht wurde, erfahren wir, dass Elizabeth Rügen eigentlich erwandern wollte, doch keine Begleitung für diese „vollkommenste Art der Fortbewegung“ fand. („Wenn man sich anders als auf seinen eigenen Füßen fortbewegt, so geht das viel zu schnell, und man versäumt tausend kleine Freuden, die am Wegrand warten“). So machte sie sich mit ihrer Jungfer Gertrud, einer ältlichen Person, („Sie war der Köder, der den Mann des Zorns, meinen Ehemann, besänftigte“) per Kutsche auf die elftägige Reise.

Schon die Überfahrt mit einer kleinen Fähre auf die Insel ist nachvollziehbar gefährlich beschrieben: „Wie ich gefürchtet hatte, kippte die Kutsche ums Haar um, als sie über den Rand des Boots fuhr.“ Gleich am ersten Tag schafften es die Grazien, die Kutsche samt Kutscher und Picknickkorb zu verlieren... Doch es warteten noch mehr Abenteuer auf dieser Reise.

Wie beliebt Rügen schon damals bei den Touristen war, war für mich ebenso unbekannt, wie die festgelegten Badezeiten in den Badehäusern  „ ... deutsche Touristen neigen dazu, im Wasser zutraulich zu werden. An Land, in einengende Korsetts geschnürt … müßen sie sich in den Grenzen der Konvention halten; je mehr Kleider sie jedoch ablegen, desto mehr scheinen sie zu glauben, die letzten Barrieren müßten fallen.“

Auf der Reise begegnet Elizabeth deren Cousine Charlotte, die sich als frühe Frauenrechtlerin sehr für gleiche Vergünstigungen von Männern und Frauen einsetzt und mit ihren schlauen Sprüchen Elizabeth die so heiß ersehnte Ruhe raubt.

Auch heute lassen sich die Bücher der lebensklugen und welterfahrenen Autorin noch wunderbar lesen. Deutlich sind ihre Menschenkenntnis und ein starkes Naturgefühl. Sie kann gesellig sein, ist aber am liebsten allein, weil sie sich offenbar nie langweilt. Als gute Beobachterin und begierige Leserin nimmt sie sich und ihre Umwelt nicht ganz ernst.

Die 1866 in Australien als jüngstes von sechs Kindern geborene Marie Annette Beauchamp verstarb 1941 als Elizabeth Russell. In erster Ehe hatte sie mit 23 Jahren den um 16 Jahre älteren preußischen Grafen von Arnim geheiratet und unter ihrem Ehenamen zahlreiche Bestseller veröffentlicht. In Deutschland gehörte sie zu den meistgelesenen Autorinnen ihrer Zeit.