Rezension

Reizvolles Thema, aber in der Umsetzung nicht durchgehend gelungen

Wo der Teufel ruht - Craig Russell

Wo der Teufel ruht
von Craig Russell

Bewertet mit 3.5 Sternen

»Verstehen Sie, Dr. Kosárek, in diesem Moment spürten sie die Gegenwart des Teufels und flehten Gott an, ihnen zu helfen und sie ihm zu entreißen. Es war derselbe Moment, in dem ich sie erkennen ließ, sie endlich begreifen ließ, dass Gott die ganze Zeit bereits da gewesen war. In diesem Moment erfassten sie, dass der Teufel nur Gott in seinem Nachtgewand ist.«

Prag, im Spätherbst 1935. Dr. Viktor Kosárek, ein junger begabter Psychiater, ist auf dem Weg zu seiner neuen Arbeitsstätte. In einer Klinik in einer alten Burg werden die schlimmsten Mörder des Landes gefangen gehalten, geistig kranke Schwerstverbrecher, die sich mit unvorstellbaren Taten den Namen »Satanische Sechs« erworben haben.

Viktor ist fasziniert von seiner neuen Aufgabe und hofft, mit einer neuen Behandlungsmethode seinen Patienten helfen und gleichzeitig seine Theorie zum »Teufels-Aspekt« weiter vertiefen zu können.

Während Viktor sich in der Klinik mit Verbrechen der Vergangenheit beschäftigt, hat Kapitán Lukáš Smolák von der Prager Polizei es mit sehr aktuellen zu tun. Er macht Jagd auf einen Serienmörder, der unter dem Namen »Lederschürze« überaus blutig und grausam agiert und Angst und Schrecken unter der Bevölkerung verbreitet.

 

Die Handlung verläuft zunächst in zwei Erzählsträngen, der Leser verfolgt abwechselnd die Erlebnisse von Viktor auf der Burg und die Ermittlungen der Polizei in der Stadt. Dass diese Handlungsstränge irgendwann zusammenlaufen, wird niemanden überraschen.

Was rund um Viktor geschieht, hat mich nicht durchgehend fesseln können. Sicher, die Dialoge sind interessant, an ein paar Stellen aber zu langatmig. Einige Kürzungen wären da durchaus möglich gewesen.

Die »Satanischen Sechs« sollten von der charakterlichen Anlage her sehr verschieden sein, an ihrer Ausdrucksweise ließ sich das jedoch nicht wirklich erkennen. Das hätte man verfeinern können. So wirken die Patienten austauschbar und obwohl ihre Berichte inhaltlich extrem sind, berührten sie mich nicht so, wie es bei gründlicherer Anlage der Personen möglich gewesen wäre.

Während es bei dem Handlungsstrang in der Burg also durchaus Verbesserungspotential gibt, fand ich die Ermittlungen in der Stadt, die Aktivitäten von Lukáš Smolák, einfach klasse und spannend. Auch die Atmosphäre, die in der Stadt und im nahe der Burg gelegenen Dorf aufgebaut wird, ist sehr ausdrucksstark, da spürt man reale Furcht und Aberglauben.

 

Überhaupt fand ich den Genre-Mix im Buch reizvoll. Da verfolgt man die Anfänge und die Entwicklung der modernen Psychologie, unternimmt diverse Ausflüge in menschliche Abgründe, erfährt so manches über slawische Mythologie und sucht einen brutalen Serienmörder. Eingebettet ist all das in einen stimmig wirkenden zeitgeschichtlichen Rahmen. Die politische Situation der jungen Republik, die Bedrohung durch Nazi-Deutschland und der aufkommende Antisemitismus in der eigenen Bevölkerung kommen wirklich gut rüber, bilden einen weiteren angsteinflößenden Aspekt.

Geschrieben ist vieles sehr blutig, könnte schon unter Horror laufen. Dieser kommt allerdings auch aus den Gesprächen und Gedanken, nicht nur aus beschriebenen Taten. Andauernde Action darf man hier nicht erwarten, einiges läuft subtiler ab, was ich persönlich mag.

 

Die Auflösung kam für mich nicht überraschend, eigentlich fand ich sie sogar wenig kreativ. Wenn ein Buch gut geschrieben ist, macht das nichts, aber während ich den Handlungsstrang »Stadt« sehr gelungen fand, hatte der in der Burg leider einige Längen und Verbesserungspotential. Und etwas weniger Mystery hätte es für meinen Geschmack auch sein dürfen, reale Dinge finde ich einfach gruseliger und spannender.

 

Fazit: Reizvolles Thema, interessanter Mix und tolle Atmosphäre, aber nicht durchgehend gelungen. Ich vergebe 3,5 Sterne.

 

»Die größte Gefahr, mein werter Doktor, wenn man den Teufel sucht, ist die, dass man ihn vielleicht finden könnte.«