Rezension

Requiem - Lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück, doch ich liebe es

Requiem - Lauren Oliver

Requiem
von Lauren Oliver

Ich fiel dem Postboten fast in die Arme, als er mir das Paket mit "Requiem" brachte. Seit Panem habe ich bei einer Dystopie nicht mehr so mitgefiebert. Obwohl ich bezüglich der Liebesgeschichte wirklich unzufrieden bin (sie hinterlässt folgendes Gefühl: Das soll's gewesen sein??? Ich wollte soviel mehr!!! Ich hätte echt heulen können - na gut ein paar Tränchen sind geflossen), gehört die Amor-Trilogie mittlerweile zu meinem absoluten Lieblingen.

Requiem ist aus Lena's und Hana's Sicht beschrieben. Während die eine in der Wildnis ums Überleben kämpft, fürchtet die andere um das System, an das sie so fest geglaubt hatte.

Ich habe ein bisschen gemischte Gefühle für den dritten Band, weil ich mir ehrlich gesagt einfach mehr gewünscht hätte. Auf der einen Seite liebe ich Lauren Olivers Schreibstil, die Mühelosigkeit wie sie ihren Figuren Leben einhaucht und die Story interessant und spannend gestaltet, hat mich richtig begeistern können. Auf der anderen Seite fehlt mir jedoch der Zauber, der mich in Delirium und Pandemonium so glücklich gemacht hatte.

Negativ für mich war, dass Lena Alex's Worten viel zu schnell Glauben schenkt. Ich hatte noch deutlich vor Augen wie er Cummings zitiert (Ich trage dein Herz, ich trage es in meinem Herzen) oder sich für sie opfert, damit sie in die Wildnis fliehen kann. Diese Unsicherheit hätte zur alten Lena gepasst. Ihr schnelles Aufgeben passte nicht zu dieser neuen, stärkeren Lena. Aber nun gut. Die Autorin wollte Gefühlschaos, also lässt sie Lena mal in dem Glauben, schließlich will man dem Leser ein bisschen Achterbahn (Dreicksbeziehungen) bieten. Nachdem ich mich innerlich gewappnet hatte, hoffte ich inständig, dass die Autorin den Zauber der Liebe von Lena und Alex, den man selbst noch in "Pandemonium" spüren konnte, nicht zerstört. Protagonist Julien kann einfach nicht mit der wahren Liebesstory mithalten und ist mehr oder weniger ein Trostpflaster. Ein Mittel zum Zweck für die Autorin damit sie ihre Dreicksgeschichte einbauen kann. Wem's gefällt "Herzlichen Glückwunsch", ich bin allerdings der Meinung je früher sich eine Dreieckbeziehung in einer Geschichte auflöst, desto besser für die Geschichte.

Die Amor-Reihe insgesamt ist fesselnd und spannend. Ich liebe die Charaktere und die Liebesgeschichte zwischen Lena und Alex. Alex hat es mir einfach angetan. Es ist eine Trilogie, bei der man die Geschichte in sich aufsaugt, man fiebert mit, doch vor allem leidet man mit. Hauptsächlich fühlte ich beim Lesen Traurigkeit. Ich vermisste bei "Requiem" dieses warme Gefühl im Bauch, die "schönen" Passagen, die für mich ein Highlight ausmachten. Das Salz in der Suppe. Ich möchte nicht falsch verstanden werden, die Geschichte ist klasse, eine der besten Dystopien seit Panem, doch es ist wie bei einem gelungenen traurigen Film: die Charaktere und Handlung begeistern, doch hinterlässt die Geschichte kein glückliches Gefühl. Sie endet zu schnell und gibt zu wenig.

Das soll keine Kritik sein, schließlich spreche ich hier von einer Dystopie und Traurigkeit ist ja nichts Schlimmes (es kann ja nicht immer alles Happy sein). Der Schluss der Amor-Reihe ist sehr treffend, da niemand weiß was die Zukunft bringt, doch ich wünschte wirklich, dass Lauren Oliver ein bisschen mehr auf die Gefühle eingegangen wäre, ein paar kleine Highlights hätten mich wirklich glücklich gemacht, trotz einer ungewissen Zukunft.

Damit hätte ich leben können, wenn mich die Autorin ein bisschen mit dem gefüttert hätte, wonach ich hungrig war. Auch hier bitte nicht falsch verstehen: Ich brauche keinen Kitsch und leidenschaftliche Liebesschwüre. Beim Lesen sehnte ich mich einfach nach dem Zauber, den Lauren mit ihrem Schreibstil in den beiden Vorgängerbänden wunderbar hingekriegt hat. Ich bin nicht enttäuscht. Ich bin einfach nur nicht satt.

So in den nächsten Zeilen möchte ich schreiben wie ich den Schluss bezüglich der Dreiecksgeschichte sehe und wie ich generell die unausgesprochenen Stellen sehe. Denn leider gibt es was die zwischenmenschlichen Beziehungen angeht, unausgesprochene Knackpunkte, die alles abgerundet hätten, aber leider fehlten. Ich hab mir wirklich einen Kopf darüber gemacht. Nachdem ich "Requiem" zu Ende gelesen hatte, spukte mir die Story noch tagelang im Kopf herum, daher muss ich einfach mal meine Eindrücke schildern. Bitte nicht weiter lesen, wenn man Spoiler vermeiden möchte.

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Ab hier Spoiler!!!

Für wen entscheidet sich Lena letzten Endes?
Alex fragt Lena: "Do you love me?"
Ihre Antwort: "I never stopped."
Hätte schön sein können, doch dann fügt sie hinzu: "But it's more complicated than that."
Tja was meinte sie damit? Das sie noch nicht mit Julien Schluss gemacht hat? Das alles um sie herum zusammen bricht? Das die Zukunkft für sie beide ungewiss ist? Das beide sich verändert haben? Ich glaube irgendwie alles zusammen. Aber vor allem glaube ich, dass sie sich bereits für Alex entschieden hat in dem Moment, als Coral ihr sagte, dass Alex sie noch liebt. Irgendwie denke ich, dass es einfach die ganze Zeit Alex war und nie Julien.

Ich bin mir sogar zu 100% sicher, dass Lena's Herz IMMER nur für Alex schlug. Es ist ehrlich gesagt äußerst unlogisch, dass sie seinen verletzenden Worten "I never loved you" soviel Glauben geschenkt hat. Da er kurz zuvor auch zu ihr sagte: "The belief that I would see you again, that I could find you - the hope for it - was the only thing that kept me going."

Man merkt hier ganz klar Lauren Oliver WOLLTE auf Teufel komm raus, dass Lena Alex sofort glaubt. Ich versuche es so zu sehen, dass in der neuen Lena irgendwo die alte "Verletzliche" Lena drin steckte, die so verletzt von seinen Worten ist, dass sie nicht anders kann als ihm zu glauben. Doch man merkt an ihrer Eifersucht zu Coral und an Alex Anwesenheit, dass Lena ihn immer mehr Bedeutung schenken wird als Julien. Es gibt nur eine kurze Zeit wo Lena sich auf Julien einlassen kann, nämlich als Alex geht. DAS SPRICHT FÜR MICH BÄNDE! Er geht für Lena, damit sie mit Julien zusammen sein kann, da er weiß das seine Anwesenheit ihr Glück stört.

Alex MUSS also abwesend sein, damit Lena überhaupt sich in Ruhe auf Julien einlassen KANN. Würde sie Julien wirklich aus tiefstem Herzen lieben, hätte dies schon früher passieren können, nämlich als Alex noch da war. Zwar wirft sie sich Julien gerne in die Arme und redet sich ein sie hätte sich für ihn entschieden, doch das liegt nur daran, dass Alex einen neuen Love-Interest hat: Coral. Auch dafür liebe ich Alex.

Ich stelle mir seine Gefühle folgendermaßen vor: Er liebt Lena so sehr, dass er weiß das sie beide es nicht über den Zaun schaffen. Er opfert sich für sie, überlebt und das einzige was ihn weiter voran treibt ist die Hoffnung sie wiederzusehen. Doch als er sie wiedersieht erkennt er, dass sie sich verändert hat und er ebenso. Das sie weiter gelebt hat. Zuerst ist er wütend und verletzt, doch dann stellt er ihr Glück wieder über seines. Er will sie nicht in zwei Hälften teilen, also wendet er sich Coral zu, um Lena von ihm abzubringen und nicht weil er sich in Coral verliebt hatte, so wie Lena annimmt.

Ich glaube, dass Alex und Coral in Wahrheit nie ein Paar waren, sondern Freunde, jedenfalls für Alex. Coral allerdings denke ich, war in ihn verliebt, wusste aber, dass er Lena liebte, also gab sie sich damit zufrieden, dass er ihr seine Zeit schenkte. Doch Lena mit Julien zu sehen ist härter als gedacht und die Spannung zwischen Alex und Julien nimmt zu. Nach der Schlägerei erkennt Alex, dass Lena immer in zwei Hälften geteilt sein wird, wenn er bleibt, da Alex annimmt, dass Lena Julien liebt - er kann ja nicht wissen, dass es eigentlich so nicht ist, Lena mag Julien zwar, empfindet etwas für ihn, doch kaum vergleichbar zu ihren Gefühlen für Alex, nur leider sieht Alex das nicht. Also geht er. Opfert wieder sein Glück für sie. Alex Liebe zu Lena ist nicht die eines Hundes (wie Edwards, sorry an die Twilight-Fans), sondern vollkommen. Das ein Junge ein Mädchen so sehr liebt, hat ihn für mich zu meiner absoluten Lieblingsfigur gemacht. Wenn ich an Alex denke, habe ich von Passenger Let Her Go immer im Sinn. Ich finde es passt so schön zu Alex.

Nachdem Lena die wahre Geschichte von König Solomon verstanden hat, hat sie auch all dies erkannt, was ich oben zu Alex geschrieben habe. In dem Moment als Alex sagte "I never loved you" war es als hätte er Schluss mit Lena gemacht und sie hat dies leider einfach akzeptiert. Doch sobald sie wusste, dass er sie liebt und das obwohl sie es noch nicht einmal von ihm selbst gehört hat, sondern von Coral!, wandte sie sich schon von Julien ab:
"Last night I couldn't bring myself to lie down next to Julien"
"So much between us went unsaid"
"Julien begins to reach to me, and I take a step backward."
"Over the past week I've accepted that I will never love Julian as much as I loved Alex. But now that idea is overwhelming, like a wall between us. I will never love Julien like I love Alex."

Lauren Oliver brauchte für mich nicht schreiben: Lena choosed Alex. Man kann es zwischen den Zeilen fühlen! Ich denke schon, dass Lena Julien sehr gemocht hat, das sie ihn irgendwo gebraucht hat, wie einen Trost, doch ich würde es nicht Liebe nennen. Sie konnte es nie über die Lippen bringen, dass sie Julien liebt. Und das spricht für sich. Lauren Oliver hat vieles für sich sprechen lassen. "I take a step backward" Und sie hat ihm nie: "I love you" gesagt.

In einem Forum habe ich gelesen, dass ein Fan Lauren Oliver bei einer Autogrammstunde gefragt hatte - Warum sie einiges so offen enden ließ. Und Lauren Oliver antwortete, dass sie als Kind mochte, wenn die Story relativ offen endete, sodass man sie sich weiter in die Geschichte eindenken konnte, damit es nicht wirklich ein Ende gibt. Ich liebe diese Sichtweise und habe in Lauren Olivers Blog, es selbst noch einmal von ihr in einem Video gehört. Eine wahnsinning sympathische Autorin. Was Alex und Lena angeht... naja soo offen ist ihr Zusammenfinden eigentlich bei näherer Betrachtung auch nicht:
"A kiss that promises renewal"
">I'm not going to run away again<, he says. >I don't want you to< I tell him."
"I'll find you. I won't let you go again."

Leute, die Story spricht für sich! Jetzt wo ich es noch mal in Worte gefasst habe, bin ich einmal mehr davon überzeugt. Auch wenn es kein aufklärendes Gespräch zwischen Julien und Lena gab. Es war immer Alex. Lest zwischen den Zeilen, lest euch "Requiem" und "Pandemonium" hundert mal durch. Es gibts nichts was mehr für Julien spricht. Das zwischen Alex und Lena, DAS war die Amor Deliria Nervosa, die Liebe. Julien zeigte uns nur, dass man eine Wahl haben kann. Lenas Herz gehört einfach Alex, auch wenn sie was für Julien empfunden haben mag. Man verstehe mich nicht falsch. Ich mag Julien ganz gerne, für ihn empfand ich Sympathie und er tat mir leid, doch im Vergleich zu Alex Liebe erscheint er mir blass und klein. Er greift Alex an, als der ihm den Rücken zukehrt. Alex wollte den Kampf nicht. Als Lena erscheint ist seine Kampflust verpufft, doch dann greift Julien ihn von hinten (wie Charakterstark -.-) an und Alex bricht ihm die Nase. Spricht für sich.

Obwohl dies meine subjekten Eindrücke sind, bin ich überzeugt davon, dass ich Lauren Oliver richtig verstanden habe, was sie durch die Dreiecksgeschichte zeigen wollte. Man hat die Wahl zu lieben und die Wahl zu entscheiden wen man liebt. Jetzt wo ich das so sehen kann, bin ich froh mich für vier Sterne entschieden zu haben. Die Amor-Trilogie hat es geschafft. Ich bin ihr ganz und gar verfallen.

Tut mir leid für diejenigen, die meine Meinung nicht teilen. Tut mir auch leid, wenn ich Julien-Fans auf den Schlips getreten bin. Auch ich habe ihn lieb gewonnen, doch wie Lena es schon sagte: "I will never love Julien like I love Alex." So sehe ich die Geschichte, aber vor allem hat sie sich für mich so angefühlt. Wir wissen nicht ob sie für immer miteinander glücklich werden, aber ich glaube fest daran, dass sie es zusammen schaffen werden. Ich habe viel darüber nachgedacht und alles was ich geschrieben habe kommt vom Herzen und meine ich auch so. Leser die meine Meinung nicht teilen, lebt damit.

"We wanted the freedom for love. We wanted the freedom to choose. Now we have to fight for it."