Rezension

[Rezension] Die Enklave (*****)

Die Enklave - Ann Aguirre

Die Enklave
von Ann Aguirre

Ich liebe Dystopien und Die Enklave hat wieder einmal meine Sucht befriedigt. In dieser YA-Dystopie geht es um Mädchen15, das lange genug überlebt hat, um endlich einen Namen zu bekommen. Da niemand sicher sein kann, dass er lang genug überlebt, werden Namen erst mit dem Eintritt ins Erwachsenenleben vergeben. Dazu gibt es eine Zeremonie, in der der Name bestimmt wird. Mädchen15 wird so zu "Zwei".
Ann Aguirre hat mit den New Yorker U-Bahn-Tunneln ein Setting geschaffen, dass total düster und gefährlich erscheint. Wenn Zwei mit ihrem Partner Bleich auf die Jagd geht, läuft einem ein Schauer über den Rücken, da man sich die Welt, in der die Beiden leben, so gut vorstellen kann. Auch die Enklave wird gut geschildert, so dass man schnell einen Eindruck bekommt, wie die anderen Menschen dort leben. Auch das New York, in das Zwei und Bleich verbannt werden, ist so geschildert, dass man sich alles sehr gut vorstellen kann. Man kann sich anhand der Ereignisse und dem Zustand der Landschaft auch ein Bild davon machen, was eigentlich passiert sein muss, dass die Menschen lieber in den U-Bahn-Tunneln leben, anstatt an der Oberfläche. Sprachlich ist es sehr strickt und eher jugendlich geschrieben, was aber durch die Perspektive, in der Die Enklave geschrieben wurde, verständlich ist. Anders würde das Buch nicht zur Protagonistin passen.

Zwei macht mir von Anfang an einen speziellen Eindruck. Sie schildert mit Genauigkeit, wie die Menschen in der Enklave "College" leben und wie sehr sie sich wünscht eine Jägerin zu sein. Jahrelang hat sie eine Ausbildung durchlaufen, um schließlich mit einem Partner in die Tunnel gehen zu können. Gejagt werden kleine Tiere (Ratten), die in der Umgebung der Enklave leben und sogenannte Freaks (Zombies?), die das Leben und den Handel stören. Zwei ist eine willensstarke Person, die sehr kämpferisch ist und ihren Traum unbedingt erfüllen will. Ihr erster Kontakt mit "Oben" (New York) ist für sie verstörend, was ich sehr realistisch finde, wenn man das ganze Leben bislang nur in den finsteren U-Bahn-Tunneln gelebt hat.
Bleich hingegen ist zurückhaltend und analytisch. Er tauchte irgendwann einmal vor den Wachen der Enklave auf und wurde aufgenommen, da er ein guter Kämpfer ist. Man erfährt über ihn nur das, was auch Zwei erfährt und lernt Bleich daher erst spät kennen. Bis dahin bleibt er mysteriös und geheimnisvoll. Er ist aber auf keinen Fall der perfekte Junge, den man ja öfter in Jugendromanen findet. Er leidet und macht Fehler, die ihn sehr menschlich erscheinen lassen. Zwei und Bleich sind daher ein richtig gutes Team, das man als Leser schnell ins Herz schließt. 
Das Buch ist in zwei größere Abschnitte eingeteilt. Im ersten geht es darum, wie Zwei und ihre Enklave überleben, was in den Tunneln sonst so geschieht und auf welche Weise "College" geleitet wird. Im zweiten Teil kommt es dann zur Verbannung, von der im Klappentext die Rede ist. Den ersten Abschnitt habe ich allerdings ebenfalls als sehr spannend empfunden, auch wenn ich mich öfter gefragt habe, wann Zwei denn nun verbannt wird. Es dauert eine ganze Weile, bis es zum Bruch kommt und man die Gründe für die Verbannung erfährt. Insgesamt ist der erste Abschnitt allerdings mindestens genauso wichtig, auch wenn er im Klappentext eher vernachlässigt wird. Ich habe es geliebt, wenn Zwei und Bleich durch die Tunnel gelaufen sind, weil die Schilderung so realistisch sind und man sich sogar vorstellen kann, wie es in den Tunneln riechen muss.

Ein kleiner Kritikpunkt bleibt jedoch: Man erfährt zu wenig darüber, was passiert ist und muss sich vieles zusammenreimen. Wie ist Amerika zu dem geworden, wie es im Buch beschrieben wird? Da auch Zwei und Bleich nach Antworten suchen und nur sehr wenig finden, hoffe ich, dass es in den folgenden Bänden der Reihe eine bessere Aufklärung gibt. 

Bewertung
Was ein tolles Buch! Nachdem ich Die Enklave zugeklappt hatte, wollte ich sofort wissen wie es weitergeht und bin gerade ganz geschockt, dass der zweite Band diesen Herbst gerade mal auf Englisch erscheint. Ich hoffe, dass es bis zur deutschen Veröffentlichung nicht mehr allzu lange dauert. Sprachlich und inhaltlich hat mich Die Enklave von der ersten bis zur letzten Seite überzeugt.