Rezension

[Rezension] “Moxyland” von Lauren Beukes

Moxyland - Lauren Beukes

Moxyland
von Lauren Beukes

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch ist so komplex, verwirrend und clever, dass ich gar nicht so recht weiß, wie ich alle meine Gedanken in einer Rezension zusammenfassen soll. “Moxyland” von Lauren Beukes bietet Stoff genug für tagelange Diskussionen – unter anderem zu den Themen Medien, Werbung, Apartheit, Kontrolle und Freiheit. In dem Roman geht es um eine Welt, in der nicht nur zwischen reich und arm differenziert wird, sondern auch zwischen online und offline. Diese Verbindung reizte mich sehr. Und natürlich reizte mich, dass die Geschichte in Kapstadt, Südafrika, spielt – ein Land, in dem ich selbst einige Zeit lebte. Ich bedanke mich bei den Rowohlt Verlagen für das Rezensionsexemplar.

Story

Zu Beginn taumelte ich erstmal ziemlich ahnungslos durch die Seiten. Man wird abrupt ins kalte Wasser geschmissen, ohne Einführung oder Erklärungen. Da bleibt Lauren Beukes auch konsequent – zu keiner Zeit erklärt sie das Regierungssystem und wie es sich entwickelt hat. So war die erste Hälfte des Buches für mich schwer zugänglich und eine Herausforderung. Die Protagonisten Toby, Kendra, Lerato und Tendeka leben in einem Kapstadt, in dem die Apartheit wieder mit voller Wucht Einzug gehalten hat. Nur wer online ist, ist auch Teil der Gesellschaft. Wer offline ist, ist von allem ausgeschlossen. Der- oder diejenige kann keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, kein Einkäufe tätigen, kann sich nicht ausweisen und nicht mit anderen kommunizieren.

Das Handy, beziehungsweise die SIM-Karte, hat alle Funktionen unseres Alltags übernommen. Es ist Personalausweis, Wohnungsschlüssel, Geldkarte, Telefon – alles in Einem. Die Menschen sind von der Technik abhängig und die Regierung hat die vollständige Kontrolle. Sie überwacht jeden und unterbindet Aufstände so bereits im Kern, indem das Handy des Auffälligen Elektroschocks aussendet.

Von dieser Flut an Informationen war ich überwältigt. Ich wusste sie nicht einzuordnen und hätte mir mehr Erklärungen gewünscht. Ich kann mir vorstellen, dass nicht alle so geduldig und ausdauernd an das Buch herangehen und es zu vorschnell beiseite legen. Das wäre schade, denn all denen entgeht eine nervenaufreibende und brisante Geschichte, die vor allem aktuellen Bezug hat. Denn: Ein Leben ohne Smartphone? Für die meisten doch beinahe unvorstellbar.

Meine Startschwierigkeiten hatten ein Ende, als ich die Danksagung der Autorin las, die sich als sehr interessant herausstellte. Darin beschreibt Beukes, woher sie ihre Ideen nahm und sie beschreibt die Beobachtungen und Recherchen, die dem Buch vorausgingen. Also ein kleiner Tipp von mir für alle, die das Buch beginnen: Lest die Danksagung, dann wird einem vieles klarer.

Durch die Augen der vier Protagonisten erlebt der Leser ein Kapstadt der Zukunft. Ihre Wege kreuzen sich immer wieder und ab der Hälfte verdichtet sich die Story zu einem extrem spannenden Thriller, den ich nicht mehr weglegen konnte. “Moxyland” ist scharfsinnig, intelligent und zeigt ein beängstigendes Bild einer möglichen Realität.

Schreibstil

Lauren Beukes Sprache ist klar, direkt und geradezu roh. Sie hält sich nicht mit blumigen Beschreibungen auf, sondern benennt die Dinge wie sie sind. Das passt sowohl zum Thema als auch zu den Charakteren sehr gut. Hier und da wurden außerdem einige typisch südafrikanische Ausdrücke eingestreut. Obgleich ich noch einige kannte, musste ich dadurch allerdings öfter als mir lieb war zum Glossar blättern und nach der Übersetzung schauen. Das ist natürlich eine Einstellungssache – ich persönlich mag das hin und her blättern eher weniger.

Charaktere

Die vier Protagonisten Toby, Kendra, Tendeka und Lerato sind sehr verschieden. Diese Unterschiede im Lebensstil sowie der Lebenseinstellung sind sehr gut herausgearbeitet. Tendeka ist ruhig und besonnen. Er setzt sich für andere ein und möchte eine Revolution herbeiführen, die Welt verbessern. Es ist lustig, dass ich mir von seiner Figur beim Lesen des Klappentextes am meisten versprach, er jedoch letztendlich den geringsten Eindruck auf mich machte. Alle anderen waren für mich einfach interessanter.

So wie Lerato. Sie führt von allen ein Leben, das am ehesten im Sinne der Regierung ist. Sie arbeitet für eine der großen Firmen als Programmiererin. Dennoch nutzt sie ihr Know-how für kriminelle Machenschaften. Die Fotokünstlerin Kendra hingegen will unbedingt Teil der technisierten Gesellschaft sein. Dazu lässt sie sich Nanobots injizieren und lebt fortan als eine lebende Werbeanzeige. Sie war mir von Anfang an am sympathischsten, mit ihr konnte ich mich am ehesten identifizieren.

Toby ist arrogant, unsensibel, egoistisch und meistens high von irgendwelchen Drogen. Er schert sich nur um Geld und seine Streaming-Sendung mit dem sprechenden Titel “Tagebuch eines Arschlochs”. Er ist der Einzige, der jedem der drei anderen Berührungspunkte hat. Meistenteils hat diese Figur mich maßlos aufgeregt und fassungslos gemacht. Hier wurde wirklich mal ein echter Bad-Boy kreiert. Überraschenderweise hat er mich langfristig am meisten überzeugt und sein Weg wurde der spannendste.

Fazit

“Moxyland” ist ein Buch, das viele wichtige Fragen über den heutigen Gebrauch von Medien und unsere Abhängigkeit von Technik aufwirft. Es regt ungemein zum Reflektieren an. Es ist verwirrend, beängstigend und intelligent und ganz gewiss keine der üblichen Dystopien. Es ist vielmehr ein Zukunftsthriller, der ganz nah an unserer Realität ist. “Moxyland” ist ein Buch für alle, die sich gerne mit der Entwicklung der Technik und der Mediengesellschaft auseinandersetzen. Ich empfehle es sehr gerne weiter.