Rezension

Roadtrip at its best!

Volkswagen Blues - Jacques Poulin

Volkswagen Blues
von Jacques Poulin

Bewertet mit 4 Sternen

Wenn ich einen alten VW Bulli sehe, geht bei mir sofort das Fernträumen los. Ich sehe mich am Steuer bei offenem Fenster entlang endloser Strände auf den Küstenstraßen düsen. Lagerfeuer neben dem Bus, Wellenrauschen und das Bett unter dem Sternenhimmel. Im wirklichen Leben fahre ich Fahrrad und besitze nichts mit vier Rädern und einem Motor. Das ist okay, ich träume gern oder lese einfach Geschichten von anderen Menschen, die mit einem Bulli durch die Welt reisen. Zu der Zeit, als sich Jack Waterman auf die Suche nach seinem Bruder macht, war sein Bulli schon altersschwach und ich konnte noch nicht mal Rad fahren. Heute hat die frühe Linie wohl bereits Oldtimerstatus. Traumauto eben. Für Jack ist der Bulli ein guter Reisegefährte, beide sind etwas in die Jahre gekommen und genießen die Gesellschaft der jungen Mechanikerin Pitsémine und ihrem kleinen schwarzen Kater. Die Große Heuschrecke, wie Pitsémine auch genannt wird, hilft Jack beim Finden von Spuren seines verschwundenen Bruders Théo. Ihre Reise beginnt an der kanadischen Atlantikküste, folgt den Spurrillen der historischen Siedler auf dem Oregon Trail quer durch den ehemals wilden Westen der USA und endet schließlich in San Francisco.

Es ist eine gute Roadstory. Der Bulli fährt in einer Geschwindigkeit, der sich gut folgen lässt. Die Geschichte ist in ruhigen Tönen erzählt. Aufregung gibt es ab und an, wenn die Große Heuschrecke an verschiedenen historischen Orten über die Verbrechen des weißen Mannes an den amerikanischen Ureinwohnern weint und wütet. An manchen Tagen bleibt die Zeit stehen, dann ergibt sich Jack der Taucherkrankheit und ist nicht ansprechbar. Die Große Heuschrecke geht dann allein ins Museum und leiht sich Bücher aus. Überhaupt wird viel gelesen auf dieser Reise. Jack ist Schriftsteller und hält nicht so viel von seinen Büchern und auch nicht von seinem Leben. Statt wie Théo zu reisen und die Welt zu sehen, lebt er in seinen Büchern und beginnt dies plötzlich für sich in Frage zu stellen. Pitsémine ist auf der Suche nach ihren Wurzeln und ihrer Zukunft. Ihre Mutter ist eine Innu, ihr Vater ein Lastwagenfahrer. Die gemeinsame Tochter kam in einem Wohnwagen zur Welt und hat ein Gespür für Autos. Aber auch für Menschen, Katzen, Geheimnisse und das geschriebene Wort. Ohne Pitsémine wäre Jack nicht über Gaspé hinausgekommen.

Jaques Poulins Buch begeistert mich. Nachhaltig. Selten habe ich so beiläufig und informativ über die Geschichte des amerikanischen Kontinents mit seinen hellen und dunklen Seiten gelesen. Die Selbstverständlichkeit, mit der beide Figuren sich auf der Reise fortbilden, die Museen vor Ort besuchen, über die Geschichte der Menschen früherer Zeiten lesen – genau so und nicht anders würde auch ich gern einmal quer durch die USA reisen.