Rezension

Roadtrip in die Wahrheit

Ein Teil von ihr
von Karin Slaughter

Bewertet mit 4 Sternen

In Andrea Oliver zerbricht das Bild, welches sie bisher von Ihrer so freundlichen und liebevollen Mutter hatte, als diese in einem American Diner scheinbar eiskalt einen Amokläufer vor ihren Augen überwältigt und ermordet. Kurz darauf zwingt ihre Mutter sie zu einer überstürzten Flucht, auf welcher Andrea versucht, die Wahrheit über Laura Oliver Teilchen für Teilchen zu einem Puzzle zusammen zu fügen. Und bringt sich dabei selbst in Gefahr.

Nach einem etwas verwirrenden Prolog spaltet sich das Buch in zwei Zeitebenen. In der Gegenwart lernen wir Andrea kennen, eine 31 Chaotin, die weder sich noch ihr Leben im Griff hat, sich selbst als Versagerin sieht und nach einem abgebrochenen Studium ihr trostloses Leben in einer Wohnung über der Garage ihrer geschiedenen Mutter fristet. Laura, ihre Mutter, ist hingegen das reinste Stehauf-Männchen, selbst den Krebs hat sie besiegt und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Als Laura ihre Tochter nach einem weiteren Überfall zur Flucht zwingt wandelt sich Andreas Leben in eine Art Roadtrip, erwacht sie langsam aus ihrer trostlosen Monotonie.

Parallel dazu erfährt der Leser, was vor 32 Jahren geschah, schlimme Ereignisse, welche mit Laura Oliver in Zusammenhang zu stehen scheinen. Doch inwiefern, kristallisiert sich erst nach und nach heraus.

Mir hat gefallen, wie das Buch so langsam die Geheimnisse preisgab, welche Lauras Vergangenheit prägten und von denen sie ihrer Tochter nie erzählte. Dabei wurden die Verbindungen zur Gegenwart erst nach und nach klar. Mit Andrea selbst als Person konnte ich leider so gar nichts anfangen. Sie wirkte nicht nur in sich gekehrt sondern war viel zu oft buchstäblich starr wie ein Reh im Scheinwerferlicht, brachte keinen Ton heraus, wirkte manchmal wie weggetreten. Etwas befremdlich, wo sie doch angeblich ein Theaterstudium abgebrochen hat. Daher wirkte es teilweise übertriegen und unglaubwürdig. Im Gegensatz zu ihrer Mutter war sie regelrecht unselbständig und naiv mit ihren 31 Jahren und ging mir damit wiederholt auf die Nerven. Da war die Vergangenheit der Mutter deutlich spannender, in der es um Manipulation, Ungerechtigkeit und Gewalt ging. Aber auch um Zusammenhalt und falsche Hoffnung.

Die Charaktere sind besonders in der vergangenen Zeitebene sehr gut gezeichnet. Andrea blieb im Vergleich dazu blass und ihre Passagen langweilten mich stellenweise, ihr größter Feind scheint wohl eher sie selbst zu sein. Auch der Schreibstil der Autorin ist äußerst lebendig und bildhaft und macht es somit leicht, sich die Szenen im Kopf gut vorstellen zu können.

Ein sehr undurchsichtiger Thriller, der mit Gewalt, Betrug, Action und ein wenig Roadmovie aufwartet, dessen Spannung aber manchmal durch Andreas Unbedarftheit einbricht.