Rezension

Robert Hunters persönlichster Fall

Die stille Bestie
von Chris Carter

Es ist Robert Hunters persönlichster Fall, den Chris Carter in dem sechsten Band der Hunter-und-Garcia Reihe „Die stille Bestie“ beschreibt, denn in diesem wird der  Profiler des Los Angeles Departments für besondere Gewaltverbrechen vom FBI zu einem Fall hinzugezogen. Lucien Folter, sein Freund und Zimmergenosse aus Studententagen wird des Mordes beschuldigt und hüllt sich bei den Vernehmungen in Schweigen. Die einzige Äußerung, die er sich entlocken lässt, ist seine Forderung nach Robert Hunter, denn nur ihm gegenüber möchte er sich zu den Vorwürfen äußern. Natürlich beteuert er seine Unschuld, aber in Hunter, der ein „Menschenleser“ mit einem ausgeprägten Gespür für sein Gegenüber ist, keimen erste Zweifel. Sollte er womöglich von seinem alten Freund getäuscht worden sein?

Bisher habe ich alle Bände Reihe gelesen und muss feststellen, dass dieser Thriller sich stark von den Vorgängern unterscheidet. Zum einen konzentriert sich hier die Handlung komplett auf Robert Hunter und das Psycho-Duell mit dem des mehrfachen Mordes beschuldigten Lucien Folter, sein Partner Garcia taucht nur kurzzeitig zu Beginn in seinem Nebensatz auf. Zum anderen plaudert hier der Autor, der nach dem Studium der forensischen Psychologie mehrere Jahre als Kriminalpsychologe tätig war, aus dem Nähkästchen und weist bereits vor Beginn des Thrillers darauf hin, dass die geschilderten Ereignisse auf realen Fällen beruhen. Während des Thrillers untermauert er auch immer wieder Fiktion mit theoretischen Fakten, was dem Beschriebenen stellenweise schon fast Lehrbuchcharakter verleiht.

Üblicherweise mag ich es nicht, wenn bereits zu Anfang die Frage nach dem Täter geklärt ist. Hier hat es mich nicht gestört, im Gegenteil, denn die Spannung baut sich genau aus diesem Wissen und dem daraus folgenden Psychoduell der beiden Protagonisten auf. Überschaubare Kapitel mit den obligatorischen Cliffhangern  bringen Tempo in die Story, die sich trotz ihrer 450 Seiten zügig weglesen lässt.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: die Art der Gesprächsführung der beiden Protagonisten. Nach Clarice Starlings Besuchen bei Hannibal Lecter wurde diese auf Gegenseitigkeit beruhende Befragungstechnik in zahlreichen Filmen, in denen es um die Überführung eines Serienmörders geht, überstrapaziert. Hier dient es jedoch über weite Strecken dazu, dem Leser endlich die seit fünf Bänden vorenthaltenen persönlichen Informationen zur Person Robert Hunters zu geben – deshalb sei es dem Autor verziehen.