Rezension

Roman zum Musical - US-amerikanischer Kitsch

Dear Evan Hansen - Val Emmich, Steven Levenson, Benj Pasek, Justin Paul

Dear Evan Hansen
von Val Emmich Steven Levenson Benj Pasek Justin Paul

Bewertet mit 1 Sternen

Der 17-jährige Evan Hansen ist wegen einer Angststörung in therapeutischer Behandlung und nimmt regelmäßig Medikamente. Im Rahmen der Therapie soll er sich täglich selbst motivieren, indem er sich einen Brief schreibt. „Lieber Evan Hansen …“ und dann folgt, warum der heutige Tag einfach fantastisch werden wird. Wer keine Freunde hat und sich nicht traut, dem Pizza-Boten die Tür zu öffnen, könnte das als puren Zynismus empfinden. Einer dieser Briefe gelangt in die Hände von Connor Murphy. Connor nimmt sich - für seine Familie überraschend - das Leben. Seine Eltern halten den gefundenen Brief von Evan für echt und hängen von nun an am seidenen Faden der Hoffnung, ihr Sohn hätte wenigstens einen Freund gehabt und wäre nicht so sonderbar gewesen, wie sie bisher annehmen mussten. Dass die Familie Murphy Trost darin findet, Evan als Connors Freund zu sehen, bringt Evan in die Klemme. Er kann sich nicht gegen die Vereinnahmung wehren - wen wundert es - und hält sich dafür verantwortlich, die Eltern Murphy trösten zu müssen. Er fälscht - auf Rat des Klassenkameraden Jared - Mails, die er angeblich von Connor erhalten hat. Als Leser ahnt man, dass die Murphys ihre Ängste beruhigen wollen, ihr Sohn hätte Drogen genommen, und weitere Befürchtungen mit sich schleppen, die sie sich nicht auszusprechen trauen.

Die Murphys belügen sich selbst, Evan belügt die Murphys und sich selbst, allein Connors Schwester Zoe scheint die Sache zu durchschauen. Für Leser verwirrend, die das Musical nicht kennen, zu dem der Roman nachgeschoben wurde, taucht der verstorbene Connor als Kommentator der Ereignisse auf, als würde er auf einer Wolke über der Szene schweben. Für die Bühne kann man das inszenieren – aber im Roman? Ohne Erklärung, ohne abgesetzte Schrifttype?

Abgesehen davon, dass ich keine Romane mag, in denen ein Verstorbener aus dem Himmel auf die Welt der Lebenden herabsieht, finde ich die Story an den Haaren herbeigezogen. Das ernste Problem des plötzlichen Selbstmords eines Jugendlichen wird hier m. A. nach quälend ausufernd in die Länge gezogen. Nur als Merchandising zum Musical zu ertragen.